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Eine kurze Geschichte der Zeit (German Edition)

Eine kurze Geschichte der Zeit (German Edition)

Titel: Eine kurze Geschichte der Zeit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Hawking
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und Neutronen wahrscheinlich zu leichteren Teilchen und Strahlung zerfallen sein. Das Universum befände sich in einem Zustand fast vollständiger Unordnung. Es gäbe keinen ausgeprägten thermodynamischen Zeitpfeil mehr. Die Unordnung könnte nicht mehr zunehmen, weil das Universum bereits in einem fast völlig ungeordneten Zustand wäre. Nun ist aber ein ausgeprägter thermodynamischer Pfeil eine notwendige Vorbedingung intelligenten Lebens. Um zu leben, müssen Menschen Nahrung aufnehmen, die Energie in geordneter Form ist, und sie in Wärme, Energie in ungeordneter Form, umwandeln. Deshalb kann es kein intelligentes Leben in der Kontraktionsphase des Universums geben. Aus diesem Grund beobachten wir, daß der thermodynamische und der kosmologische Zeitpfeil in die gleiche Richtung zeigen. Nicht die Expansion des Universums verursacht die Zunahme der Unordnung, sondern die Keine-Grenzen-Bedingung bewirkt, daß nur in der Expansionsphase die Unordnung zunimmt und die Verhältnisse für intelligentes Leben geeignet sind.
    Fassen wir zusammen: Die Naturgesetze machen keinen Unterschied zwischen der Vorwärts- und der Rückwärtsrichtung der Zeit. Es gibt jedoch mindestens drei Zeitpfeile, die die Vergangenheit von der Zukunft unterscheiden: den thermodynamischen Pfeil, die Zeitrichtung, in der die Unordnung zunimmt, den psychologischen Pfeil, die Zeitrichtung, in der wir die Vergangenheit und nicht die Zukunft erinnern, und den kosmologischen Pfeil, die Zeitrichtung, in der das Universum sich ausdehnt und nicht zusammenzieht. Ich habe gezeigt, daß der psychologische Pfeil im wesentlichen der gleiche wie der thermodynamische ist, so daß die beiden stets in die gleiche Richtung weisen. Die Hypothese, daß das Universum keine Grenze habe, sagt die Existenz eines ausgeprägten thermodynamischen Zeitpfeils voraus, weil das Universum in einem gleichmäßigen und geordneten Zustand beginnen muß. Und wir beobachten die Übereinstimmung des thermodynamischen mit dem kosmologischen Pfeil, weil es intelligente Wesen nur in der Expansionsphase geben kann. Die Kontraktionsphase wird für Geschöpfe wie uns ungeeignet sein, weil sie keinen ausgeprägten thermodynamischen Pfeil hat.
    Die wachsende Fähigkeit der Menschheit, das Universum zu verstehen, hat einen kleinen Winkel der Ordnung in einem zunehmend der Unordnung verfallenden Universum geschaffen. Wenn Sie sich an jedes Wort in diesem Buch erinnern, sind in Ihrem Gedächtnis etwa zwei Millionen Informationseinheiten gespeichert: Die Ordnung in Ihrem Gehirn ist um zwei Millionen Einheiten angewachsen. Doch während Sie das Buch gelesen haben, sind mindestens tausend Kalorien geordneter Energie – in Form von Nahrung – in ungeordnete Energie umgewandelt worden – in Form von Wärme, die Sie durch Wärmeleitung und Schweiß an die Luft abgegeben haben. Dies wird die Unordnung des Universums um ungefähr zwanzig Millionen Millionen Millionen Millionen Einheiten erhöhen – also ungefähr um das Zehnmillionenmillionenmillionenfache der Ordnungszunahme in Ihrem Gehirn. Und das gilt nur für den Fall, daß Sie sich an alles, was in diesem Buch steht, erinnern.
    Im übernächsten Kapitel werde ich versuchen, die Ordnung in unserer Ecke der Welt ein bißchen zu vergrößern, indem ich erkläre, wie die Menschen sich bemühen, jene Teiltheorien, die ich beschrieben habe, zu einer vollständigen vereinheitlichten Theorie zusammenzuführen, die alle Aspekte des Universums erfassen würde.

[zur Inhaltsübersicht]
    10
    Wurmlöcher und Zeitreisen
    I M VORIGEN KAPITEL HABEN WIR UNS mit der Frage beschäftigt, warum die Zeit vorwärts gerichtet ist – warum die Unordnung anwächst und weshalb wir uns an die Vergangenheit statt an die Zukunft erinnern. Wir haben so getan, als sei die Zeit ein schnurgerades Bahngleis, auf dem man nur in die eine oder die andere Richtung fahren kann.
    Was aber wäre, wenn das Bahngleis Schleifen und Abzweigungen aufwiese, so daß der Zug zwar stets vorwärts führe, aber trotzdem an einen Bahnhof gelangte, an dem er schon früher einmal gehalten hätte? Mit anderen Worten: Könnte jemand in der Lage sein, in die Zukunft oder die Vergangenheit zu reisen?
    H. G. Wells hat diese Möglichkeiten in seiner Erzählung «Die Zeitmaschine» ausgelotet und wurde damit zum Vorbild für ungezählte Science-fiction-Autoren. Nun sind aber viele Phantasiegebilde der Science-fiction-Literatur – U-Boote und Mondreisen zum Beispiel – längst zu

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