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Eine kurze Geschichte der Zeit (German Edition)

Eine kurze Geschichte der Zeit (German Edition)

Titel: Eine kurze Geschichte der Zeit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Hawking
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gefunden hätten, da Theorien sich nicht beweisen lassen. Doch wenn die Theorie mathematisch schlüssig wäre und stets Vorhersagen lieferte, die sich mit den Beobachtungen deckten, so könnten wir mit einiger Sicherheit davon ausgehen, daß es die richtige wäre. Damit wäre ein langes und ruhmreiches Kapitel in der Geschichte des menschlichen Bemühens um das Verständnis des Universums abgeschlossen. Aber auch der Laie würde eine ganz neue Vorstellung von den Gesetzen gewinnen, die das Universum regieren. Zu Newtons Zeit konnte der Gebildete noch den gesamten Horizont menschlichen Wissens überblicken, zumindest in groben Umrissen. Seither aber hat sich die Entwicklung der Wissenschaften so beschleunigt, daß dazu niemand mehr imstande ist. Da man die Theorien ständig verändert, um sie neuen Beobachtungen anzupassen, können sie nie zu einer für den Laien verständlichen Form verarbeitet und vereinfacht werden. Man muß schon ein Spezialist sein, und selbst dann kann man nur hoffen, einen kleinen Ausschnitt aus dem Spektrum wissenschaftlicher Theorien wirklich zu verstehen. Überdies ist das Tempo des Fortschritts so groß, daß der Wissensstoff, den man an der Schule oder Universität vermittelt bekommt, stets schon ein bißchen veraltet ist. Nur wenige Menschen vermögen mit dem raschen Wandel unserer Erkenntnisse Schritt zu halten, und das nur, wenn sie dafür ihre ganze Zeit opfern und sich auf ein kleines Fachgebiet spezialisieren. Alle anderen haben kaum eine Vorstellung von den Fortschritten, die erzielt werden. Vor siebzig Jahren haben, wenn man Eddington Glauben schenkt, nur zwei Menschen die Allgemeine Relativitätstheorie verstanden. Heute sind es Zehntausende von Hochschulabsolventen, und viele Millionen Menschen sind zumindest in großen Zügen mit ihr vertraut. Würde man eine vollständige und vereinheitlichte Theorie entdecken, wäre es nur eine Frage der Zeit, bis man sie in der gleichen Weise so weit verarbeitet und vereinfacht hätte, daß sie sich zumindest skizzenhaft in den Schulen vermitteln ließe. Wir wären dann alle bis zu einem gewissen Grad in der Lage, die Gesetze zu verstehen, die unser Universum bestimmen und die für unsere Existenz verantwortlich sind.
    Selbst wenn wir eine vollständige vereinheitlichte Theorie entdecken, würde dies nicht bedeuten, daß wir ganz allgemein Ereignisse vorhersagen könnten, und zwar aus zwei Gründen. Erstens wird unsere Vorhersagefähigkeit durch die Unschärferelation der Quantenmechanik eingeschränkt, ein Prinzip, das sich durch nichts außer Kraft setzen läßt. Die zweite Einschränkung erwächst aus unserer Unfähigkeit, die Gleichungen der Theorie, von sehr einfachen Situationen abgesehen, exakt zu lösen. (Wir können noch nicht einmal exakte Lösungen für die Bewegung dreier Körper in Newtons Gravitationstheorie finden, und die Schwierigkeiten wachsen mit der Zahl der Körper und der Komplexität der Theorie.) Die Gesetze, die – von ganz extremen Bedingungen abgesehen – das Verhalten der Materie regieren, sind uns bereits bekannt. Vor allem kennen wir die grundlegenden Gesetze, die chemische und biologische Prozesse steuern. Aber das berechtigt uns nicht, von gelösten Problemen in jenen Bereichen zu sprechen. Jedenfalls haben wir zum Beispiel bislang wenig Erfolg damit gehabt, menschliches Verhalten aus mathematischen Gleichungen vorherzusagen! Selbst wenn wir also ein vollständiges System von grundlegenden Gesetzen fänden, stünden wir in den folgenden Jahren noch immer vor der schwierigen Aufgabe, bessere Näherungsmethoden zu entwickeln, um brauchbare Vorhersagen über wahrscheinliche Konsequenzen komplizierter realer Situationen zu machen. Eine vollständige, widerspruchsfreie vereinheitlichte Theorie ist nur der erste Schritt: Unser Ziel ist ein vollständiges Verständnis der Ereignisse um uns her und unserer Existenz.

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    12
    Schluß
    W IR LEBEN, SO STELLEN WIR FEST, in einer befremdlichen Welt. Wir möchten verstehen, was wir um uns her wahrnehmen, und fragen: Wie ist das Universum beschaffen? Welchen Platz nehmen wir in ihm ein, woher kommt es, und woher kommen wir? Warum ist es so und nicht anders?
    Indem wir versuchen, diese Fragen zu beantworten, machen wir uns ein «Weltbild» zu eigen. Nicht anders als der unendliche Schildkrötenturm, auf dem die flache Erde ruht, ist auch die Superstringtheorie ein solches Weltbild. Wenn diese auch sehr viel mathematischer und genauer ist als der

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