Eine kurze Weltgeschichte fuer junge Leser
der Kommunisten in Russland unter
Lenin habe ich ebenfalls kurz erwähnt, und auch die überzeugten Kommunisten wollten
nie an eine Duldung ihrer Gegner denken. Ihre Rücksichtslosigkeit in der Verfolgung
ihrer Ziele kannte keine Grenzen, und Millionen sind ihnen zum Opfer gefallen.
In den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg verschwand auch die Toleranz
in Deutschland, Italien und Japan zusehends aus dem Leben. Dort erzählten die
Politiker ihren Landsleuten vor allem, sie seien bei der »Verteilung der Erde«
zu kurz gekommen, denn eigentlich hätten sie das Recht, über andere Völker zu
herrschen. Sie erinnerten die Italiener daran, dass sie schließlich von den
alten Römern abstammten, die Japaner an ihre kriegerischen Adeligen und die
Deutschen an die alten Germanen, an Karl den Großen oder Friedrich den Großen.
Die Menschen seien eben nicht alle gleich viel wert, und so wie es Hunderassen
gibt, die sich besser zur Jagd eignen als andere, so seien sie die besten
Menschenrassen, die sich zum Herrschen eigneten.
Ich kenne einen alten weisen buddhistischen Mönch, der einmal seinen
Landsleuten in einer Rede gesagt hat, er möchte gerne wissen, warum sich alle
Leute einig sind, dass es lächerlich und peinlich ist, wenn irgendjemand von
sich selbst sagt, »ich bin der gescheiteste, der stärkste, der mutigste und der
begabteste Mensch auf der Welt«, aber wenn er statt »ich« »wir« sagt und
mitteilt, dass »wir« die gescheitesten, stärksten, mutigsten und begabtesten
Menschen auf der Welt seien, so applaudiert man ihm mit Begeisterung in seinem
Vaterland und nennt ihn einen Patrioten. Dabei hat das mit Patriotismus gar
nichts zu tun. Man kann natürlich an seiner Heimat hängen, ohne zu behaupten,
dass überall sonst nur minderwertiges Gesindel wohnt. Aber je mehr Leute auf
diesen Unsinn hereinfielen, desto größer wurde die Gefahr für den Frieden.
Als nun auch noch eine schwere Wirtschaftskrise eine gewaltige
Anzahl Menschen in Deutschland zur Arbeitslosigkeit verurteilt hatte, schien
der einfachste Ausweg ein Krieg zu sein, in dem die Arbeitslosen zu Soldaten
oder Rüstungsarbeitern wurden und durch den die verhassten Verträge von
Versailles und St. Germain aus der Welt geschafft werden würden. Die
demokratischen Länder im Westen, also Frankreich, England und Amerika – so
bildete man sich ein –, seien längst zu friedliebend und verweichlicht und würden
sich gar nicht verteidigen wollen. Es ist wahr, dass dort niemand einen Krieg
wollte und dass man alles tat, um Hitler keinen Vorwand zu geben, die Welt ins
Unglück zu stürzen. Aber leider lässt sich immer ein Vorwand finden, denn
sogenannte »Zwischenfälle« kann man ja auch arrangieren, und so marschierte die
deutsche Armee am 1. September 1939 in Polen ein. Ich war damals schon in
England und habe erlebt, wie tieftraurig, aber auch wie entschlossen die
Menschen waren, die nun wieder in den Krieg ziehen mussten. Niemand sang
diesmal frohe Kriegslieder, niemand hoffte auf Kriegsruhm. Man tat nur seine
Pflicht, weil mit dem Wahnsinn aufgeräumt werden musste.
Es wurde damals meine Aufgabe, dem deutschen Rundfunk zuzuhören und
seine Sendungen ins Englische zu übersetzen, damit man wusste, was dem
deutschen Hörer erzählt oder verschwiegen wurde. So habe ich merkwürdigerweise
die sechs Jahre dieses schrecklichen Krieges, von 1939 bis 1945, sozusagen von
beiden Seiten miterlebt – wenn auch in sehr verschiedener Weise. Zu Hause in
England sah ich die Entschlossenheit, aber auch die Not, das Bangen um die
Männer an der Front, die Folgen der Luftangriffe und die Sorgen über die Wechselfälle
des Krieges. Im deutschen Rundfunk hörte ich zunächst nur Triumphgeschrei und
wüstes Geschimpfe. Hitler glaubte an die Macht der Propaganda, und sein Glaube
schien bestätigt, solange die Erfolge der ersten zwei Kriegsjahre die kühnsten
Erwartungen übertrafen. Polen, Dänemark und Norwegen, Holland und Belgien,
Frankreich, weite Teile von Russland und der Balkan wurden überrannt, und nur
die kleine Insel England am Rande von Europa leistete noch Widerstand; das
konnte ja auch nicht mehr lange dauern, denn der deutsche Rundfunk verkündete
immer wieder unter Trompetengeschmetter, wie viele Schiffe, die den Engländern
Lebensmittel und Waffen hätten zuführen sollen, von den U-Booten versenkt
worden seien.
Aber nachdem im Dezember 1941 die Japaner ohne Kriegserklärung die
amerikanische Flotte angriffen und beinahe vernichteten und nun
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