Eine kurze Weltgeschichte fuer junge Leser
Kämpfen mit den Nachbarstädten, fast hätte ich Nachbardörfern gesagt. Der
siebente und letzte König, Tarquinius der Stolze, soll von einem Adeligen,
Brutus, ermordet worden sein. Hierauf herrschten die Adeligen, die Patrizier
hießen, was ungefähr Stadtväter bedeutet. Du darfst dir aber für diese Zeit
keine richtigen Städter vorstellen, sondern eher Großbauern, die weite
Weideländer und Äcker besaßen. Nur diese hatten das Recht, die Beamten der
Stadt zu wählen, seitdem es keine Könige mehr gab.
Die Oberbeamten in Rom hießen Konsuln. Es gab immer zwei
gleichzeitig, und sie übten ihr Amt nur ein Jahr lang aus. Dann mussten sie
abdanken. Außer den Patriziern gab es natürlich noch andere Einwohner. Die
hatten aber keine berühmten Vorfahren, besaßen weniger Äcker und waren darum nicht
vornehm. Man nannte sie Plebejer. Sie bildeten fast eine eigene Kaste, so
ähnlich wie im indischen Staat. Ein Plebejer durfte keine Patrizierin heiraten.
Noch weniger natürlich konnte er Konsul werden. Ja, er durfte nicht einmal in
der Volksversammlung am Marsfeld draußen vor der Stadt seine Stimme abgeben. Da
die Plebejer aber viele waren und ebenso harte, eiserne Willensmenschen wie die
Patrizier, haben sie sich das alles nicht so leicht gefallen lassen wie die
sanften Inder. Sie haben mehrmals gedroht auszuwandern, wenn man sie nicht
besser behandeln und ihnen nicht auch einen Anteil an den eroberten Äckern und
Weiden geben würde, die die Patrizier bisher für sich behalten hatten. In einem
jahrhundertelangen, unerbittlichen Kampf haben es die Plebejer schließlich
durchgesetzt, dass sie im römischen Staat genau dieselben Rechte hatten wie die
Patrizier. Einer der zwei Konsuln musste Patrizier sein und einer Plebejer. So
war es gerecht. Das Ende dieses langen und verwickelten Kampfes fiel ungefähr
in die Zeit Alexanders des Großen.
Aus diesem Kampf kannst du schon ungefähr sehen, was die Römer zu
dieser Zeit für Menschen waren. Sie waren nicht so schnell im Denken und
Erfinden wie die Athener. Sie hatten auch keine solche Freude an schönen
Dingen, an Bauten, Statuen und Liedern; auch das Nachdenken über die Welt und
das Leben war ihnen nicht so wichtig. Aber wenn sie sich etwas vorgenommen
hatten, dann setzten sie es durch. Und wenn es auch 200 Jahre dauerte. Es waren
eben richtige altansässige Bauern und nicht bewegliche Seefahrer wie die
Athener. Ihr Besitz, ihre Herden und ihre Länder – darum kümmerten sie sich. In
der Welt kamen sie nicht so viel herum, sie gründeten auch keine Kolonien. Sie
liebten ihre heimatliche Erde und ihre Stadt. Die wollten
sie mächtig machen, für die taten sie alles. Kämpfen
und sterben. Außer ihrer Heimaterde war ihnen nur noch eines wichtig: ihr Recht. Nicht das Recht der Gerechtigkeit, vor dem alle
Menschen gleich sind, sondern das Recht, das Gesetz ist. Das aufgeschrieben
ist. Ihre Gesetze waren auf zwölf erzenen Tafeln auf dem Marktplatz
aufgeschrieben. Was dort in knappen und ernsten Worten gestanden hat, das hat
auch gegolten. Ohne Ausnahme. Auch ohne Mitleid oder Gnade. Denn es waren ja
die Gesetze ihrer alten Heimat. Und schon darum waren es richtige Gesetze.
Es gibt viele schöne, alte Geschichten, die von dieser Heimatliebe
der Römer erzählen und von ihrer Gesetzestreue. Geschichten von Vätern, die als
Richter ihre eigenen Söhne zum Tode verurteilt haben, ohne mit der Wimper zu
zucken, weil das Gesetz es so befahl, Geschichten von Helden, die sich in
Schlachten oder in Gefangenschaft, ohne zu zögern, für ihre Landsleute
aufgeopfert haben. Diese Geschichten müssen nicht alle wörtlich wahr sein, aber
sie beweisen, worauf es den Römern bei Beurteilung eines Menschen vor allem
ankam: auf die Härte und Strenge gegen sich und gegen andere, wenn es um das
Recht oder um das Vaterland ging. Kein Unglück konnte diese Römer
einschüchtern. Nicht einmal als ihre Stadt von einer Völkerschar aus dem
Norden, von den Galliern, im Jahre 390 vor Christus eingenommen und
niedergebrannt wurde, gaben sie auf. Sie bauten sie wieder auf, befestigten sie
neu und zwangen die kleinen Nachbarstädte nach und nach zum Gehorsam.
In der Zeit nach Alexander dem Großen also hatten sie an den
Kleinkriegen gegen Kleinstädte nicht mehr genug. Sie begannen ernsthaft die
ganze Halbinsel zu erobern. Aber nicht in einem einzigen großen Siegeszug wie
Alexander. Sondern schön langsam. Stück für Stück, Stadt für Stadt, Land für
Land. Mit der ganzen Zähigkeit und
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