Eine Lady verschwindet
zu
verkleiden. Nein, von dem Zeitpunkt an, als sie in Rom das Flugzeug bestieg,
war sie als Miss Angelo bekannt. Ihre Begleiterin behielt ihren richtigen
Namen, Daphne Woodrow, bei. Anna war heute vormittag um elf Uhr hier mit mir verabredet, sie traf aber nicht ein. Ich rief im Motel
an und erfuhr, daß die beiden Mädchen gegen acht Uhr dreißig heute früh
ausgezogen sind. Das war der Augenblick, in dem mir klar wurde, daß ich Hilfe
brauche. Sie sind dafür der richtige Mann, Holman .«
»Was soll ich tun?«
»Anna Flamini finden und sie hierher zurückbringen.«
»Vielleicht ist sie freiwillig
geradewegs zu Barnaby gegangen?«
»Ausgeschlossen!« Er schnaubte
fast vor Verachtung. »Etwas muß ihr zugestoßen sein. Ich glaube, daß sie
entführt worden ist. Wenn das stimmt, hat Barnaby mich hereingelegt — und ich
will mich rächen. Aber zuerst muß ich Anna wieder hier an meiner Seite haben.«
»Wissen Sie was?« sagte ich
bedächtig. »Ich dachte eigentlich, ich hätte inzwischen jede Sorte Drecksack
kennengelernt, aber Sie sind tatsächlich eine Nouveauté für mich.«
»Bitte verschwenden Sie nicht
meine wertvolle Zeit mit pseudomoralischen Betrachtungen«, fauchte er. »Nehmen
Sie den Auftrag an?«
»Ohne jede Garantie für
Erfolg«, sagte ich. »Ich kann nur versuchen, die Lady zu finden.«
»Ich verstehe«, sagte er ruhig.
»Aber auch meine Geduld ist begrenzt. Sie haben eine Woche Zeit.«
»Da ist noch was«, sagte ich.
»Wenn ich die Lady wirklich finde und sie ist dort, wo sie sich aufhält,
glücklich, denke ich nicht daran, sie zu zwingen, zu Ihnen zurückzukehren.«
»Natürlich nicht.« In seinen Augen
lag ein gelangweilter Ausdruck. »Wenn alles aus ihrem eigenen Entschluß heraus
geschehen ist, werde ich mich damit zufriedengeben. Vorausgesetzt, es gibt
Beweise dafür. Ein Brief von ihr, eine Tonbandaufnahme — etwas, was die
Tatsache zweifelsfrei bestätigt.«
»Okay.« Ich versuchte meine
Stimme überzeugt klingen zu lassen. »Wo finde ich Axel Barnaby?«
»Bitte, Holman !«
Er lächelte mir herablassend zu. »Selbst ich, Vincente Manatti , kann diese Frage nicht beantworten.«
»Wie steht es mit dem
Vermittler, Gregory O’Neil ?«
»Auch da kann ich Ihnen nicht
helfen. Das Treffen sollte in einer Bar am Wilshire Boulevard stattfinden, die Inn Place heißt. Ich wartete dort eine halbe
Stunde über den verabredeten Zeitpunkt hinaus auf ihn, aber, wie gesagt, er
tauchte nicht auf.«
»Ich kann es vielleicht doch
versuchen«, sagte ich ohne viel Begeisterung. »Wie steht’s mit dem Motel?«
»Das Daydream Motor Court. Heute vormittag am Telefon konnte
man mir dort überhaupt nichts sagen.«
»Das klingt alles sehr
ermutigend«, brummte ich.
»Wenn es nur im geringsten
ermutigend wäre«, sagte er kalt, »dann hätte ich mich selber um die
Angelegenheit gekümmert.«
»Kosten spielen keine Rolle?«
»Nicht die geringsten.« Seine
Augen wurden plötzlich wachsam. »Möchten Sie gleich Geld haben, Holman ? Einen Vorschuß ?«
»Ich glaube nicht.«
Er goß sich erneut ein, wobei
er sorgsam mein leeres Glas ignorierte. »Sicher wollen Sie sich sofort an die
Arbeit machen, Holman «, sagte er. »Finden Sie den Weg
hinaus allein?«
Ich fand meinen Weg hinaus
allein: zurück über die Terrasse, um den Swimming-pool herum. Als ich näher kam, wirkten die beiden daliegenden Gestalten inzwischen
besser durchgebraten. Ich blieb stehen, um zuzusehen, wie der Zeigefinger der
Blonden wieder unter dem Bikinihöschen verschwand, um sich dort zu kratzen. »Es
scheint ein Jammer, daß Sie die ganze Zeit Ihre Energie auf diese Weise
verschwenden müssen«, sagte ich mitfühlend. »Darf ich nicht für Sie kratzen?«
Sie rollte sich auf die Seite
und stützte sich auf einen Ellbogen, während ihr das weizenblonde Haar über
eine Seite ihres Gesichts fiel. Ihr Körper verfügte über die perfekten Maße,
die für jedes Starlet lebenswichtig sind, und ihrem Baby-Doll-Gesicht nach
konnte sie nicht älter als achtzehn sein. Der berechnende Blick in ihren graublauen
Augen ließ sie dann allerdings mindestens zehn Jahre älter erscheinen.
»He!« Sie kicherte hysterisch
und verpaßte ihrer Gefährtin einen kräftigen Schubs
in den Pektoralmuskel . »Da ist er! Das ist der
Bursche, der Big Daddy vor einer Weile zurechtgeboxt hat.«
Die Dunkelhaarige rollte
langsam auf den Rücken und blickte zu mir empor. Sie war das genaue Ebenbild
der Blonden, abgesehen von der Haarfarbe und ihren Augen, die
Weitere Kostenlose Bücher