Eine Lady von zweifelhaftem Ruf
anzuerkennen, dass der darin verborgene Mann ihrer Mutter die letzte Ehre erwiesen hatte, als auch um seine Präsenz zu erspüren und ihn so vielleicht später erkennen zu können.
»Er war da«, sagte sie zu Daphne, nachdem alle Kutschen fort waren. »Da bin ich mir sicher.«
»Wahrscheinlich war er das.«
»Vielleicht wird er mir schreiben. Möglicherweise wird er sich mir jetzt, wo sie fort ist, offenbaren.«
Daphne hakte sich bei ihr ein und führte Celia fort. »Vielleicht tut er das.«
»Du willst mich nur bei Laune halten. Du glaubst nicht, dass er das tun wird.«
»Da er es bis jetzt nicht getan hat, nein, ich glaube nicht, dass er es noch tun wird.«
Celia legte einen Schritt zu. »Es war grausam von ihr, es mir nicht zu sagen. Ich habe ein Recht darauf zu wissen, wer mein Vater ist, doch sie hat meine Bitte abgewiesen.«
»Ich bin sicher, ihre Entscheidung war nicht leichtfertig, Celia. Vielleicht solltest du akzeptieren, dass sie ihre Gründe dafür hatte. Dass sie es für sich behielt, hat ihr vielleicht dabei geholfen, in Frieden zu gehen.«
Celia blinzelte die Tränen fort. »Ich bin mir sicher, dass sie ihre Gründe dafür hatte, wie für alles andere in ihrem Leben auch. Doch ich kann nicht akzeptieren, dass ich den Namen meines Vaters nun niemals erfahren werde.«
»Es waren natürlich nur Gerüchte. Vage Gerüchte. Ich selbst habe ihnen niemals Glauben geschenkt.«
»Aber andere schon?« Jonathan spähte durch die Schlitze in den Vorhängen. Ein Großteil seiner Gedanken beschäftigte sich mit dem Auftrag, den sein Onkel ihm gerade erteilte, aber ein kleiner Teil davon blieb weiterhin auf das kleine Drama gerichtet, das sich dort draußen neben dem Grab abspielte.
»Einige vielleicht. Es gab keinen Beweis, nur auffällige Muster und Zufälle. Sie machten diejenigen, die an der Macht waren, zu einer ungünstigen Zeit misstrauisch. Daher die jetzige Besorgnis. Und wegen dieser Gerüchte will kein Mann, dass sein Name mit dem dieser Frau während jener Jahre in Verbindung gebracht wird, damit er nicht zu Unrecht in ein schlechtes Licht gerückt wird.
Onkel Edward teilte ihm die nötigen Informationen in einem unaufgeregten Tonfall mit, der demonstrierte, für wie unwichtig er die ganze Angelegenheit hielt. Er hatte außerdem deutlich gemacht, dass er davon ausging, Jonathan würde diesen kleinen Auftrag annehmen, so wie schon so viele andere in den letzten Jahren.
Jonathan schob den Vorhang ein wenig mehr beiseite. Drüben am Grab stand eine Gruppe von Frauen, die alle ganz in Schwarz gekleidet waren. Die meisten von ihnen würde jeder Mann in der Stadt wiedererkennen. Bei einigen handelte es sich um Mätressen mit festen Gönnern, andere waren die begehrtesten Liebesdienerinnen der Stadt, deren Kunden zu den angesehensten und einflussreichsten Familien gehörten. Sie lebten in ihrer eigenen Welt, die den Planeten, auf dem die gute Gesellschaft lebte, wie ein Mond umkreiste und die Männer guter Herkunft mit einiger Regelmäßigkeit besuchten.
Nicht alle dieser Frauen waren berüchtigt. Zwei von ihnen schienen fehl am Platz zu sein. Die eine, groß und schlank, blieb hinter ihrem Schleier, der von ihrem breitkrempigen Hut herunterhing, gänzlich unerkannt. Die andere, die kleiner und blond war, trug überhaupt keinen Hut.
Er kniff die Augen zusammen, um das Gesicht der zweiten Frau besser erkennen zu können. Die Entfernung machte es schwer zu sagen, aber ja, es könnte sich tatsächlich um Celia handeln. War sie als pflichtbewusste Tochter aus reiner Sentimentalität da? Oder als Erbin ihrer Mutter, so, wie Alessandra es geplant hatte? Sie stand aufrecht und stolz am Grab und schien über die Anwesenheit der Freundinnen ihrer Mutter überhaupt nicht beschämt zu sein.
»Und wenn die Gerüchte nun doch stimmen?«, fragte er Edward, ohne den Blick von dem blonden Schopf zu wenden. »Was, wenn ich herausfinde, dass Alessandra tatsächlich vertrauliche Informationen an den Feind weitergegeben hat?«
»Der Krieg ist schon lange vorbei. Deine Aufgabe besteht nicht darin, das zu untersuchen. Finde einfach nur heraus, ob sie irgendwelche Geschäftsbücher hinterlassen hat, mit Namen, die man publik machen könnte. Wenn dir so etwas in die Hände fallen sollte, bring es mir.« Er schenkte Jonathan sein Lächeln, die einzige Wärme und Zuwendung, die der jüngere Mann über die Jahre hinweg von einem seiner Verwandten bekommen hatte.
Endlich schenkte Jonathan seinem Onkel seine ganze
Weitere Kostenlose Bücher