Eine Lady von zweifelhaftem Ruf
dahintersteckt, will ich …«
»Ich versichere dir, dass das alles noch sehr unklar ist. Dennoch – einer ihrer frühen Gönner war ein französischer Emigrant, wie du vielleicht weißt. Er brachte ihr Stil und Umgangsformen bei. Es gibt Hinweise, dass er etwas damit zu tun hatte, und wir haben Anlass zu glauben, dass sie bis zu seinem Tod vor zwei Jahren weiterhin Kontakt mit ihm hatte. Privat und heimlich.«
Also war an den Gerüchten doch etwas dran. Jonathan konnte nicht glauben, dass ihn Alessandra bewusst in eine Falle und einen fast sicheren Tod geschickt hatte. Das konnte er bei einer Frau, die ihm fast mütterlich begegnet war, einfach nicht.
Andererseits konnten manche Entscheidungen, die man in dieser Welt treffen musste, hart sein. Ein Agent mit Missionen zweifelhafter moralischer Natur konnte sich kein allzu starkes Gewissen leisten. Das alles war ihm klar.
Die Trauerfeier war nun zu Ende. Die Frauen zerstreuten sich, bis nur noch die Blondine und ihre verschleierte Freundin am Grab standen.
»Wirst du es tun?«, fragte Edward. »Du musst dieses Mal genau den Anweisungen folgen. Ich will nichts von dieser lästigen Eigenständigkeit sehen, die du letztens im Norden gezeigt hast.«
»Daran waren die äußeren Umstände schuld, wie du sehr wohl weißt.«
»Du hättest einen Weg finden müssen, um Hawkeswell loszuwerden, als du erfahren hast, dass er in der Angelegenheit herumschnüffelt. Du hättest …«
»Ich habe dich gewarnt, dass die Sache so sehr zum Himmel stank, dass es jemand riechen würde. Gib nicht mir die Schuld, wenn die Regierung deshalb bloßgestellt wurde.«
Ihre Kutsche rollte an und gelangte auf einen Teil des Weges, der näher am Grab lag. Ein blonder Kopf drehte sich zu der vorbeifahrenden Kutsche um. Während sie näher kamen, erblickte Jonathan aus nur drei Metern Entfernung Celias liebliches Gesicht.
Das hübsche goldige Kind war zu einer äußerst liebreizenden Frau herangereift. Sie wirkte immer noch genauso einnehmend wie früher, wenn auch vielleicht etwas weniger unschuldig als damals. Sie blickte genau in das verhängte Fenster, um die für sie nicht sichtbaren Kutscheninsassen stumm zu grüßen.
Der Himmel war wolkenverhangen, und doch erhellte sich die Welt um sie herum ein klein wenig, als ob die junge Frau ihr eigenes Licht ausstrahlen würde.
Jonathan wandte sich vom Fenster ab und sah sich mit dem Stirnrunzeln seines ungeduldigen Onkels konfrontiert.
»Ja, ich werde es tun.«
Celia stieg aus Daphnes Einspänner. Sie sah zu dem dreigeschossigen Backsteinhaus empor. Es wirkte gut instand gehalten, wie die meisten anderen Gebäude in diesem Teil der Wells Street auch. Es war die Art Haus, in der ein Kaufmann oder ein wohlhabender Handwerker leben könnte.
»Es scheint eine anständige Gegend zu sein, und Bedford Square liegt nur ein paar Straßen östlich«, sagte Daphne. Sie hatte nicht nur das Haus in Augenschein genommen. »Du solltest hier für ein paar Tage allein sicher sein.«
Celia holte ihre Reisetasche aus der Kutsche. Sie hatte Daphne noch nicht gebeichtet, dass es vielleicht mehr als ein paar Tage werden würden. Dafür war später noch Zeit, sobald sie alles gemäß ihren Plänen vorbereitet hatte.
»Ich finde es immer noch merkwürdig, dass meine Mutter mir niemals von diesem Haus erzählt hat«, sagte sie. »Es ist viel bescheidener als das Anwesen in der Orchard Street. Wahrscheinlich hat es ihr einer ihrer Gönner geschenkt, um ihr durch die Vermietung ein monatliches Einkommen zu verschaffen.«
Daphne stieg aus und band die Zügel an einem Pfahl fest. »Vielleicht solltest du es auch lieber vermieten anstatt es zu verkaufen.«
»Vielleicht tue ich das wirklich. Ich kann es ohnehin nicht verkaufen, bevor der Nachlass nicht geregelt ist. Mr Mappleton hat mir gesagt, dass weitere Gläubiger auftauchen könnten. Wenn dem so ist, wird mir dieses Haus genau wie alles andere aus den Fingern gleiten.« Sie holte den Schlüssel aus ihrem Ridikül und steckte ihn ins Schloss.
»Gott sei Dank ist es möbliert. Ich habe bereits befürchtet, dass du auf dem Boden schlafen musst«, bemerkte Daphne, nachdem sie einen Blick in den ersten Raum geworfen hatten. »Dadurch kannst du auch eine höhere Miete verlangen.«
Celia stellte ihre Reisetasche ab, und sie begannen, sich im Erdgeschoss umzusehen. Vorne befand sich ein hübscher Salon, und dahinter lag eine Bibliothek. In beiden Räumen gab es präsentable Polstermöbel, massive Tische und
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