Eine Leiche im Badehaus
sie.
Maias Augen hatten sich zu Schlitzen verengt. Mit Ancus auf dem Arm trat sie auf die anderen zu und deutete auf Petronius.
»Dieser Mann ist nicht euer Onkel.«
Alle vier Kinder starrten sie an.
»Jetzt schon!«, verkündete Rhea, die Brutale, Geradlinige, Offene. Mit ihren fast fünf Jahren gab sie ihre Meinung kund wie eine neunzigjährige Matriarchin. Meine Mutter musste schon als Kind genauso wie Rhea gewesen sein.
»Seien wir ehrlich, Maia«, nuschelte Petro. »Die Tatsache, dass es deine sind, macht die armen Kleinen unkontrollierbar.« Er beugte sich zu den dreien hinunter, die noch immer neben ihm standen. »Geht schnell zu eurer Mutter, sonst explodiert sie noch.«
Marius, Cloelia und Rhea trotteten gehorsam zu Maia und hielten ihr ihre Gesichter zum Küssen hin. Maia beugte sich hinunter und legte ihr Arme um sie alle. Sie richtete ihren wütenden Blick auf Petronius, aber er kam ihr zuvor. »Ich hab mir alle Mühe gegeben«, teilte er ihr ruhig mit. »Ich habe sie sicher zu dir gebracht und so schnell es möglich war. Wir wären schon eher hier gewesen, aber wir bekamen alle Windpocken nördlich von …«
»Cabilonnum«, ergänzte Cloelia, die wohl das Reisetagebuch geführt hatte. »In Gallien.«
Maia fehlten die Worte, aber da sie meine Schwester war, hielt das nicht lange an. Rasend vor Wut warf sie Petronius vor: »Du hast meine Kinder in eine Weinschenke gebracht!«
»Beruhige dich, Mutter«, riet ihr Marius (der Elfjährige, Autoritäre). »Das ist etwa das hundertste Mal. Wir sind ein bisschen knapp bei Kasse, also müssen wir nehmen, was kommt. Onkel Lucius hat uns beigebracht, wie man sich benimmt. Wir stellen nie die Preise in Frage, wir ziehen kein Messer, und wir hauen die Einrichtung nicht zu Bruch.«
LX
Der Zahnklempner verhielt sich etwas seltsam. Ich hatte das Gefühl, er war betrunken.
Ich war allein mit ihm losgegangen. Hätten Maias Kinder nicht was zu essen gewollt – dringend, wie sie alle behaupteten –, hätte ich der Sache entfliehen können. Ich hätte es vorgezogen, mit Petro die neuesten Entwicklungen durchzuhecheln, aber er und ich hatten uns durch kodierte Zeichen zu verstehen gegeben, dass wir das später ungestört tun würden. Da der Zahnzieher willens schien, sich mit einem Patienten abzugeben, bestanden alle darauf, dass ich die Sache hinter mich brachte, während die Kinder im Nemesis aßen. Ich spielte den Mutigen und lehnte Begleitung ab. Es ist schlimm genug, sich selbst vor Schmerzen schreien zu hören, ohne hilfreiches Publikum. Helena wollte mitkommen, doch ich wusste, dass mein Leiden sie schrecklich mitnehmen würde. Mit Schmerz konnte ich fertig werden, aber damit nicht. Auf der Straße vor der Schenke war es merkwürdig friedlich. Irgendwo in der Stadt hörte ich die rauen Stimmen der Bauarbeiter, die zur nächsten Kaschemme unterwegs waren, aber hier an der Porta Calleva war alles ruhig. Kühle Luft besänftigte mich. Feine Regenschleier trieben heran. Wir konnten nirgendwo anders als in Britannien sein.
Wir betraten die Höhle des Zahnklempners. Sie hatte breite Türen, die er nur einen Spalt weit öffnete, als hätte er Angst, ich könnte Straßenräuber mit reinbringen. Drinnen zündete er zwar eine Lampe an, aber sie erhellte fast nichts. Ich tastete mich zu dem Sitz, auf dem er die Operation durchführen wollte. Ich musste meinen Kopf auf einen Block zurücklegen, der sich kalt und hart anfühlte.
»Wie ich höre, haben Sie erst vor kurzem eröffnet?«
»Stimmt.«
»Sie haben das hier gekauft? War vorher was anderes darin untergebracht?«
»Glaub schon.«
Ich fragte mich, was es wohl gewesen war.
Er begann einen sehr großen Trank für mich zusammenzubrauen. Mohnsaft in Wein. Allein bei dem Anblick musste ich schon dringend auf die Latrine. Es gelang mir, einen Teil zu verschütten, um nicht zu viel trinken zu müssen. Das schien ihn zu beunruhigen. Der starke Kräutergeruch seiner Medizin erinnerte mich an das Schmerzmittel, das Alexas Aulus gegen den Hundebiss verabreicht hatte.
»Ich bin zäh. Machen Sie möglichst schnell, ja?«
Er sagte, wir müssten warten, bis der Mohn seine Wirkung tat. Das konnte ich verstehen. Er wollte sich nicht die Hand abbeißen lassen.
Ich lag im Halbdunkel da und spürte, wie ich mich entspannte. Der Zahnzieher werkelte irgendwo hinter mir herum, außer Sichtweite. Plötzlich tauchte er wieder auf, um mir in den Mund zu schauen. Ich öffnete ihn weit. Er wirkte unbeholfen, als hätte ich
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