Eine letzte Breitseite
Negers.
»Bringen Sie den Kutter an Steuerbord zu Wasser! Auch ein Floß, wenn Sie es schaffen können!«
Auf einen Ruf Pascoes wandte er sich um und sah ein bleiches Segeldreieck durch den Rauch näherkommen; der Rumpf war noch nicht zu sehen.
Seine Degenspitze berührte das Deck, denn ihm sanken hilflos die Arme hinunter. Die Frist war verronnen, der Franzose war da. Hatte sich wie ein Jäger, der ein waidwundes Tier verfolgt, zum Heck der
Osiri
s
geschlichen.
Bolitho sah auch, wie der Kommodorestander sich im ablandigen Wind hob, und er fragte sich flüchtig, ob man von drüben auch seinen Wimpel über diesem Chaos aus Blut und Vernichtung noch flattern sah. Eine Bö trieb den Qualm himmelwärts; nur an den gelbroten Flammenzungen, die aus dem Rauch schossen, sah man, daß dieser Windstoß Menschenwerk war.
Deck um Deck, immer paarweise, hämmerten die Geschütze des Vierundsiebzigers ihre Kugeln ins Heck der
Osiris
.
Das nahm kein Ende! Schon sah Bolitho die blindlings rennenden, stürzenden, zuckenden, sich wälzenden Gestalten kaum noch als Menschen, nur noch als formlose, sinnlose Schreckensbilder mit lautlos klaffenden Mündern.
Atemlos wankte er zur Reling, soweit sie noch vorhanden war. Dort standen noch immer Pascoe und Allday und hielten, jeder von einer Seite, den Kommandanten aufrecht. Allday hatte eine tiefe Wunde im Arm. Pascoe eine dunkle Beule an der Stirn, wo ihn ein Holzstück getroffen hatte. Bolitho hatte noch nicht wieder Atem genug, um sprechen zu können, aber er hielt sich irgendwo fest und nickte ihnen zu.
Auf dem Oberdeck stand kein Mensch mehr; achtern, vorn und auf den Laufgängen häuften sich gebrochene Spieren, Stage und Wanten. Überall wallte Rauch auf. Unter den Trümmern schrien Menschen nach Hilfe, riefen Namen, fluchten Sinnloses.
»Der Besan kommt jeden Moment von oben, Sir«, keuchte Al lday mit letzter Kraft. »Er hängt nur noch an den Wanten!«
Durch das Getöse der fallenden Spieren und brüllenden Me nschen hörte Bolitho fernes Hurrarufen: das Siegesgeschrei der Franzosen.
Farquhar stieß Pascoe zurück und wankte zu den zerrissenen Webleinen. Seine Uniform hing in Fetzen, mehrere Holzsplitter staken wie Pfeile in seinen Schultern. Blut aus seiner Brustwunde bezeichnete seinen Weg zum Schanzkleid; als Bolitho ihn endlich auffing, waren seine Augen fast geschlossen.
»Haben wir die Flagge gestrichen, Sir?« keuchte er.
Bolitho hielt ihn fest im Arm, auch Pascoe kam herbei. Den Mast mit Wimpel, Stagen und Wanten hatte eine Breitseite weggefegt.
»Nein, das haben wir nicht.«
Mit weitgeöffneten Augen sah Farquhar ihn an. »Das ist gut, Sir. Tut mir leid, daß…« Offenbar überwältigte ihn eine neue Schmerzwelle, dennoch stieß er wütend hervor: »Probyn soll in der Hölle faulen – er hat uns auf dem Gewissen!«
Bolitho stützte Farquhar. Pascoe beobachtete dessen Gesicht, als könne er darauf die Antwort auf alle seine Fragen ablesen.
Undeutlich murmelte Fraquhar: »Lassen Sie mich, Sir. Ich kann schon wieder allein stehen. Dieser Idiot von Outhwaite soll…«Ein letzter Schimmer von Bewußtsein blitzte in seinen Augen auf und erstarrte.
Der Zweite Offizier stolperte durch den Rauch, blieb aber reglos stehen, als Bolitho sagte: »Hier, halten Sie Ihren Kommandanten, Mr. Guthrie.« Er wandte den Blick ab. »Sir Charles Farquhar ist tot.«
De r Kommandantenbericht
»Nur die Verwundeten in die Boote!«
Bolitho war bereits heiser, weil er den Kanonendonner übe rschreien mußte. Von einigen Transportern kam Geschützfeuer durch den Rauch; freilich mußten die Kugeln meist die eigenen Schiffe treffen, denn die Ordnung auf der Reede hatte sich aufgelöst. Unbeschreibliche Panik herrschte dort; drei Schiffe brannten lichterloh, ihre Trossen waren gekappt oder verbrannt, sie trieben zwischen die anderen.
Bolitho hatte keine Ahnung, wie viele Kanonen auf der
Osiris
noch feuerten, denn in der unteren Batterie waren nur noch wenige Geschütze bemannt; unmöglich, den Rückstoß eines Zweiunddreißigpfünders vom Einschlag einer feindlichen Kugel zu untersche iden.
Er blickte von der Laufbrücke hinunter; direkt unter ihm lagen die Boote, bereits überfüllt mit Verwundeten; andere klammerten sich noch an die Bordwand oder trieben im Wasser ab, weil sie nicht schwimmen konnten oder zu erschöpft waren. Manche kletterten vom Schiff an Tauen über Bord – Seesoldaten, Matrosen, Küfer, Segelmacher; hier und da versuchte ein Offizier, Ordnung zu
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