Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eine letzte Breitseite

Eine letzte Breitseite

Titel: Eine letzte Breitseite Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kent
Vom Netzwerk:
schon tagelang her.
    Er sah Leutnant Veiten, der die obere Batterie von Achtzehnpfündern befehligte, am Niedergang lehnen und mit seinen beiden Midshipmen reden. Vielleicht machte ihnen die ganze Sache nicht viel aus. Jedenfalls wirkten sie wie immer. Dachten wohl, die Sorgen könnten sich andere machen. Wenn sich die Ereignisse übe rstürzten und man nicht mehr nachdenken konnte, war es sowieso zu spät. Unruhig beobachtete Herrick, wie die erste Morgendämmerung hinter dem Land aufstieg. Er hatte manches Seegefecht mitgemacht, hatte so vieles erlebt und kannte die Erlösung, zu den Überlebenden zu gehören. Aber einer solchen Spannung wie dieser war er nicht gewachsen.
    Über dem noch tief verschatteten Deck hörte er Marssegel und Klüver killen und sich dann hungrig wieder mit Wind füllen. Die Bramsegel weiter oben zogen gut; der Ausguck im Masttopp mochte wohl in der kühlen feuchten Morgenluft frieren; jedenfalls sah es so aus, als ob er die Beine zusammenschlug.
    Herrick schritt zur anderen Seite des Decks, das ohne die MarineInfanteristen seltsam geräumig wirkte. Er versuchte, sich jeden einzelnen seiner Offiziere vorzustellen, von Fitz-Clarence mit seiner redseligen, falschen Selbstsicherheit bis zu Leutnant Kipling vom unteren Batteriedeck und zu Veitch, der äußerlich gelassen bei seinen Männern unter den bauchigen Segeln stand. Gilchrist und Leutnant Steere waren mit an Land; da war er sowieso knapp an Offizieren. Und die zurückgebliebenen bildeten noch keine Einheit; wie ihre Kanoniere sich unter feindlichem Feuer bewähren würden, mußte sich erst noch herausstellen.
    »Siebzehn Faden!«
    »Einen Strich anluven, Mr. Grubb!« sagte Herrick.
    »Aye, aye, Sir.«
    Die Männer rannten zu den Brassen, doch Herrick hörte nicht auf das eilige Trappeln ihrer nackten Füße. Er hatte eine Vorentsche idung getroffen, aber es war immer noch Zeit, sie zu ändern. Er dachte an das Geschwader und besonders an Captain Farquhar. Farquhar hatte seine Instruktionen: Mit dem anderen Zweidecker und der
Buzzar
d

als Flankenschutz würde er ihnen auf ein Signal hin sofort zu Hilfe kommen. Dazu mußte es allerdings so hell sein, daß sie Verbindung mit der
Harebel
l

herstellen konnten. Herrick schüttelte sich, plötzlich deprimiert: Das alles brauchte so viel Zeit.
Z
u
vie
l

Zeit. Bolitho und sein Landekommando hatten nicht wie vorgesehen signalisiert. Die
Lysande
r

ohne Nachricht von der Küste und ohne Unterstützung vor die Batterie in der Bucht zu segeln, war purer Wahnsinn. Bolitho selbst hatte das ganz klar gesagt.
    »Kurs Nordost zu Nord liegt an, Sir.«
    »Recht so.«
    Wieder dachte Herrick an Farquhar. Nur zu gern hätte er ihn um Hilfe ersucht. Doch dieser mußte ihn verachten, wenn er jetzt nicht zu einer selbständigen Entscheidung kam. Schließlich war
e
r

der Flaggkapitän. Wie sauer ihm dieser Rang doch wurde!
    »Wir laufen in die Bucht ein, Mr. Grubb«, sagte Herrick langsam mit einem Blick auf Fitz-Clarences gestraffte Schultern. »Sie können die Backbordbatterien ausfahren lassen!«
    Die Pfeifen schrillten durch die Decks, die Backbordpforten wurden aufgezogen, Herrick vernahm gedämpftes Hurra, und mit Kreischen und Quietschen rumpelten die Kanonenrohre der
Lysander
ins Freie. Herrick versuchte, sich zu sammeln, und sah im Geiste Bolithos gelassenes Gesicht vor sich.
    »Backbordbatterie ausgerannt, Sir«, meldete Fitz-Clarence. Es klang wenig begeistert.
    »Danke. Geben Sie zu den Karronaden im Vorschiff durch: Feuer erst auf mein Kommando. Es ist immer schwierig, ein Ziel an Land zu treffen…« Er brach ab, weil der Leutnant ihn so merkwürdig anstarrte. »Wie Sie selbst noch merken werden«, schloß er.
    Die
Lysa
nder

holte unter dem Druck der starken Besegelung ziemlich stark über, doch Herrick wußte aus Erfahrung, daß es besser war, unter diesen Umständen so beweglich wie möglich zu bleiben. Kein Schiff konnte jemals einer gut plazierten Küstenbatterie überlegen sein: Es war, als wolle man einen Floh mit einer Feder totschlagen.
    Er ging zur Luvseite hinüber, hielt sich an den Finknetzen fest und beobachtete die Brandung unterhalb einiger Felsbrocken. Querab glitt der westliche Landarm der Bucht vorbei; und als der Bugspriet der
Lysande
r

den ersten dünnen Strahl des Morgenlichts aufspießte wie eine Lanze, sah Herrick auch die Bucht und das Festland dahinter.
    »Nord zu Ost, Mr. Grubb«, befahl er kurz. Er spürte Grubbs schweigenden Protest in seinem Rücken, doch er

Weitere Kostenlose Bücher