Eine letzte Breitseite
Strohköpfe. Sie haben keine Ahnung, und das Fahrzeug ist ein Saustall.«
Aber Bolitho hörte kaum hin. Ihm war der Brief eingefallen, den die
Segura
dem französischen Agenten namens Yves Gorse hätte bringen sollen. Angenommen, der Franzose wußte nicht, auf we lchem Schiff die Instruktionen aus Toulon kamen? Nachrichtenübermittlung war schwierig, und die Franzosen behandelten ihr Endziel immer noch als Geheimnis; da würde er vermutlich kaum vorherwissen, aufweiche Art ihn seine Anweisungen erreichen sollten.
»Mein Kompliment an Flaggkapitän Farquhar«, sagte er zu Glasson, »und er möchte bitte zu mir auf die Kampanje kommen.«
Als Fraquhar fünf Minuten später erschien, schritt Bolitho auf und ab, die Hände auf dem Rücken, in tiefes Nachdenken versunken.
»Sie haben eine Idee, Sir?« tippte Farquhar an.
Bolitho blieb stehen und sah ihm ins Gesicht. »Ich glaube, die habe ich. Ich war so tief in meine Befürchtungen verstrickt, daß ich nicht sah, was auf der Hand lag.«
»Sir?«
»Ich hörte Steuermannsmaat Bagley einen Rudergänger beschimpfen, weil der ihn nicht gleich verstanden hatte.«
Farquhar zog die Brauen zusammen. »Das muß Larssen gewesen sein, Sir. Ich kann ihn ablösen lassen.«
»Nein, nein! Darum geht es nicht«, sagte Bolitho und starrte ihn immer noch an. »Und dann noch etwas, das Glasson eben über die
Segura
sagte.«
»Ich verstehe, Sir.« Farquhar war völlig verwirrt. »Das heißt, ich glaube zu verstehen.«
Bolitho lächelte. »Diese
Segura
.
Wir haben sie mitgeschleppt und wußten nicht, warum. Aus Eitelkeit? Als Beweis, daß wir nicht nur Mißerfolge hatten? Mit der Zeit haben wir vergessen, daß sie überhaupt da ist.«
Farquhars Augen, die Bolitho mit tiefem Zweifel betrachteten, glommen in der sinkenden Sonne. »Aber sie ist zu langsam zum Rekognoszieren – ich dachte, darüber wären wir uns einig.«
Bolitho nickte. »Stellen Sie eine neue Prisenmannschaft zusammen und verteilen Sie die Spanier, die noch auf der
Segura
sind, auf das Geschwader. Suchen Sie einen geeigneten Offizier und sagen Sie ihm, die Prisenbesatzung soll so
ausländisc
h
wirken wie nur möglich.«
»Aye, Sir.« Farquhar zeigte sich nicht einmal mehr überrascht. Wahrscheinlich glaubte er, die ständige Anspannung und Verantwortung hätten Bolitho schließlich doch um den Verstand gebracht.
»Und zwar
sofor
t
! Geben Sie dem Geschwader Signal zum Beidrehen, solange noch Tageslicht ist!«
Farquhar wollte schon wegeilen, fragte aber noch: »Was soll dieser Offizier für eine Aufgabe übernehmen, Sir?«
»Aufgabe, Captain?« Er wandte sich ab, um seine aufsteigende Erregung zu verbergen. »Er soll die
Segura
unter falscher Flagge nach Malta segeln. Am besten unter amerikanischer. Und dort soll er für mich einen Brief abliefern.«
»An den französischen Agenten?« rief Farquhar.
»Genau.« Wieder ging er auf und ab. »Fangen Sie gleich an!«
Doch Farquhar blieb noch stehen. »Das ist aber riskant, Sir.«
»Das haben Sie mir schon mal gesagt. Und Thomas Herrick auch. Haben
Si
e
denn nie was riskiert?«
Farquhar lächelte. »Die Matrosen werden wahrscheinlich desertieren, sobald sie in Malta sind. Und der betreffende Offizier wird gefangengenommen und gehängt werden. Die Malteser wissen nur zu gut, wie gefährlich es für sie ist, Frankreichs Mißfallen zu erregen. Früher waren sie uns freundlich gesinnt, aber jetzt sind ihnen die französische Armee und Flotte viel näher als damals«, schloß er achselzuckend.
»Stimmt. Das ist auch keine Arbeit für einen Juniorleutnant.«
Jetzt ging Farquhar ein Licht auf. »Sie beabsichtigen, selbst auf der
Segura
mitzufahren.«
»Unter allen Umständen.«
In einem hatte Midshipman Glasson recht gehabt, fand Bolitho: die
Segura
war nicht nur dreckig, sie stank auch nach so vielen Une rfreulichkeiten von unterschiedlichem Alter und Gehalt, daß man unter Deck von ständigem Brechreiz geplagt wurde.
Als die neue Mannschaft im Austausch gegen die Spanier he rübergerudert wurde, war es stockfinster. Mit zwei tüchtigen Matrosen am Ruder und unter gerefften Segeln würde sie
Segura
für die Nacht sich selber überlassen.
Bolitho saß in der winzigen Kajüte und kaute an Salzfleisch und eisenhartem Schiffszwieback herum, den er mit dem Rotwein, den das Schiff reichlich geladen hatte, aufzuweichen versuchte.
Farquhar hatte Leutnant Matthew Veitch zu seiner Begleitung ausgesucht. Veitch hatte bereits bewiesen, daß er sich ebenso gut
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