Eine letzte Breitseite
darauf verstand, ein ihm unbekanntes Schiff zu führen, wie die Achtzehnpfünder der
Lysander
im Ernstfall zu kommandieren. Er war Mitte Zwanzig, sah jedoch erheblich älter aus und war erfahrener, als man bei seiner Jugend glauben mochte. Er kam aus dem Norden Englands, aus Tynemouth, und wirkte durch seinen harten Akzent im Verein mit seiner meist strengen Miene viel reifer als seine Jahre. Doch sein schnell bereites Lächeln konnte diesen Ernst jederzeit wegwischen; und Bolitho hatte gemerkt, daß seine Matrosen ihn schätzten und respektierten.
Plowman, der Steuermannsmaat, war auch diesmal wieder dabei, und mit Midshipman Arthur Breen, einem rotblonden Siebzehnjährigen, in dessen Gesicht man vor lauter Sommersprossen kaum noch die Haut sah, war das Offizierskorps der
Segura
komplett.
Sie waren so damit beschäftigt gewesen, sich auf ihrem ne uen Schiff einzurichten, daß die überschatteten Marssegel der drei Vierundsiebziger in der sich vertiefenden Dunkelheit verschwunden waren, ehe irgend jemand die Zeit gefunden hatte, etwas zu bedauern.
Bolitho blickte auf, als Veitch in die vollgestopfte Kajüte trat.
»Vorsicht!«
Zu spät. Veitch krachte mit dem Kopf heftig gegen einen Decksbalken und fluchte.
Bolitho deutete auf eine Kiste. »Setzen Sie sich hin und passen Sie auf Ihren Schädel auf!« Er schob ihm die Weinflasche zu. »Ist alles belegt?«
»Aye, Sir.« Veitch warf den Kopf zurück und leerte den Blechbecher. »Ich habe Zweiwachenstropp angeordnet. Da haben sie zu tun, und wir werden nicht so leicht von einer feindlichen Patrouille überrascht.«
Bolitho horchte auf die ungewohnten Geräusche des Schiffes, das Schlagen der Segel, die Bewegungen des sehr nahen Ruders. Die
Segura
war plump gebaut und bis ans Schandeck mit Fracht und Schießpulver vollgepackt. Ihre Besegelung war sehr knapp und mit einem Minimum an Matrosen zu bedienen. Auch das zeigte, daß sie höchstwahrscheinlich holländischer Bauart war. Mit ihrem profitablen Verhältnis von Schiffsraum zu Mannschaft hatte sie zweifellos jede Küste zwischen der Ostsee und Afrika abgeklappert. Aber sie war alt, und ihre spanischen Kapitäne hatten sie schwer vernachlässigt. Plowman hatte schon über den schlimmen Zustand des stehenden Gutes berichtet; manche Stage waren, wie er es ausdrückte, »so dünn wie eine Seemannsbörse«.
Aber Plowman war eben Grubbs rechte Hand. Wie der Master, so konnte auch er unverläßliches Material nicht leiden.
Bolitho verbarg ein Lächeln. Wenn Plowman sich Sorgen machte, so war das bei den als Prisenbesatzung ausgesuchten Matrosen keineswegs der Fall; im Gegenteil. Schon als er an Bord der
Lys
a
n
der,
bevor sie in die Boote kletterten, kurz zu ihnen gesprochen hatte, bemerkte er, wie sie einander grinsend in die Rippen stießen, weil ihnen ihre neue Rolle Spaß machte. Das sie die Langeweile loswurden, einmal von der Routine wegkamen, oder vielleicht auch die Tatsache, daß sie alle besonders ausgesucht worden waren, trug zu dieser fröhlichen, sorglosen Atmosphäre bei. Daß man sie in erster Linie ausgewählt hatte, weil sie Ausländer waren, hatten sie offenbar noch gar nicht gemerkt.
Bolitho hörte jemanden eine fremdartige Weise trällern; die Freiwache unter Deck fiel ein, und es wurde ein richtiger Chor. Auch ein ungewohnter Küchengeruch in der feuchten Luft des Zwischendecks war ein Zeichen ihrer neuen Identität.
»Die haben sich ganz gut eingerichtet«, grinste Veitch. »Das ist Larssen, der da singt, und der Koch ist ein Däne. Weiß der Himmel, was wir heute zu essen kriegen.«
Jetzt kam Plowman. »Ich habe Mr. Breen die Wache übergeben, Sir.« Erfreut nahm er einen Becher Wein entgegen. »Oh, danke, Sir.«
Bolitho musterte ihn zufrieden. Jeder von ihnen, auch er selbst, trug einen einfachen blauen Rock; ein schäbigeres Trio wäre schwer zu finden gewesen. Typisch, wie er hoffte, für die Hunderte von Handelsschiffen, die unter jeder Flagge fuhren und jede Fracht übernahmen, an der etwas zu verdienen war.
»Morgen also laufen wir Malta an«, sagte Bolitho und sah interessiert zu, wie sich Plowman eine lange Tonpfeife mit schwarzem Tabak stopfte. »Ich bin der Kapitän, Richard Pascoe. Sie können Ihre Namen behalten. Mr. Veitch ist erster Maat, Mr. Plowman zweiter. Allday macht den Bootsmann.«
Nach kurzem Zögern schob Plowman den großen Tabaktopf über den wackligen Tisch zu Bolitho hin. »Wenn Sie mal probieren wollen, Sir? Er ist, na ja, ganz anständig.«
Bolitho nahm
Weitere Kostenlose Bücher