Eine Liebe auf Korfu
rasch auf.
Wie nett und umgänglich er ist, dachte sie und begann seine Strümpfe zu schrubben. In nur zwölf Stunden hatte sich ihre Abneigung in Sympathie verwandelt. Und wenn sie ehrlich war, musste sie zugeben, dass sie sich zu ihm hingezogen fühlte. Nur wegen eines attraktiven Profils, ausdrucksvoller brauner Augen und eines offenherzigen Wesens? Nimm dich in Acht, ermahnte sie sich, dieser Mann ist die verkörperte Versuchung …
Die Kirchenuhr schlug elfmal, und Alessa schaute zu Benedict hinüber. Mit Seifenspänen gefüllt, stand die Schüssel vor dem Sofa am Boden. Nun beschäftigte er sich damit, aus dem restlichen Seifenstück ein Tier zu schnitzen. Als er ihren Blick spürte, hob er den Kopf. „Kein besonders gelungenes Kunstwerk, nicht wahr?“
Die Augen zusammengekniffen, inspizierte sie die formlose Schnitzerei. Zum Glück war sie daran gewöhnt, kindliche Bemühungen um künstlerische Leistungen taktvoll zu loben. „Oh, ein sehr hübsches Schwein. Vielleicht müsste es noch ein Bein bekommen. Aber man darf nicht zu kritisch sein.“
„Danke. Allerdings zwingt mich meine Ehrlichkeit, Ihnen zu erklären, dass es ein Pferd sein soll.“
Lachend schob sie den Wandschirm vor das Sofa. „Ich erwarte … Kundschaft. Vielleicht würde Ihre Gegenwart die Leute in Verlegenheit bringen. Wenn es Ihnen nichts ausmacht …“
„Meine Existenz geheim zu halten? Gar nichts.“
Voller Dankbarkeit lächelte sie ihn an. Dann eilte sie aus dem Raum, um das Schlafzimmer in Ordnung zu bringen. Wie ihr soeben bewusst geworden war, hatte sie das Sofa, das sie normalerweise benutzte, ihrem Gast überlassen. Deshalb musste sie die intimere Umgebung des Schlafzimmers wählen, und ihre Besucher durften keine persönlichen Gegenstände sehen.
Benedict sank in die Kissen hinab und machte es sich so bequem wie möglich. Sollte er versuchen, ein wenig zu schlafen? Eine gute Idee, wie er fand – falls er nicht schnarchte, was zweifellos die Aufmerksamkeit der „Kundschaft“ erregen würde. Wahrscheinlich erwartete Alessa einige Damen, die ihr Dessous zum Waschen bringen wollten. Oder vielleicht arbeitete sie auch als Änderungsschneiderin. Inmitten solcher typisch weiblicher Aktivitäten wäre ein Mann sicher unwillkommen.
Da man ihm niemals vorgeworfen hatte, er würde schnarchen, durfte er es gewiss wagen, die Augen zu schließen, oder? Während er darüber nachdachte, klopfte es an der Tür, und er lauschte den flinken Schritten Alessas, die den Besuch eintreten ließ.
„Kalíméra, Alessa.“
„Kalíméra, Spiro. Ti kánis?“
Abrupt setzte Benedict sich auf. Ein Mann? Erstaunt über seine spontane Reaktion, legte er sich wieder hin. Vermut lich lebten in dieser Stadt Junggesellen, die keine Dienstboten hatten. Und so brauchten sie jemanden, der sich um ihre Wäsche kümmerte. Alessa sprach in schneller griechischer Umgangssprache. Nach der Begrüßung verstand er kaum ein Wort. Aber irgendetwas an ihrem vertraulichen Ton störte ihn. Nun wurde die Tür geöffnet, dann eine andere, und die Stimmen entfernten sich. Waren die beiden im Schlafzimmer verschwunden?
Benedict setzte sich wieder auf. Jetzt lauschte er unge niert. Das Gespräch verstummte, und er hörte nur mehr ein rhythmisches Knarren. Ein Bett? Sie wird doch nicht … Nein! Sein Entsetzen irritierte ihn. Warum regte er sich auf? Natürlich war es Alessas gutes Recht, ihren Lebens unterhalt so zu verdienen, wie es ihr gefiel. Das ging ihn nichts an. Und doch …
Nun, vielleicht irrte er sich. Dieser Spiro könnte ein schadhaftes Bettgestell reparieren. Und ich bin der Prinzregent, dachte Benedict grimmig.
Nach ein paar Minuten hörte er die Geräusche nicht mehr, nur Stimmen, und die beiden kamen ins Wohnzimmer zurück. Mühsam drehte er sich zur Seite und spähte durch einen Spalt zwischen den Teilen des zusammenklappbaren Wandschirms. Spiro war ein stämmiger Mann in mittleren Jahren – mit feuerroten Wangen. Kein Werkzeugkasten. Was immer er hier getrieben haben mochte, er hatte keine Möbel instand gesetzt.
Auch Alessas Gesicht war leicht gerötet. Erbost beobachtete Benedict durch den schmalen Spalt, wie sie ihr Haar glättete, dann klopfte es wieder an der Tür. Diesmal erschien ein jüngerer Mann, der sein linkes Bein nachzog und ebenfalls ins Schlafzimmer geführt wurde. Keine Geräusche drangen herüber.
Nach ein paar Minuten klopfte es wieder an der Tür, jemand trat ein, und ein Sessel quietschte. Offenbar hatte der
Weitere Kostenlose Bücher