Eine Liebe auf Korfu
sie nicht dulden – nicht einmal, wenn es um einen lästigen, unvorsichtigen englischen Touristen ging.
Alessa drehte ihr Messer herum, stürmte zu Petro und schmetterte den Griff auf seinen Nacken, so wie man es ihr beigebracht hatte. Schmerzhaft vibrierte der Aufprall in ihrem Arm, und der Schurke fiel grunzend auf die Beine des Fremden hinab. Also musste sie sich jetzt um zwei Bewusstlose kümmern. Wenn der eine zu sich kam, würde er in mörderische Wut geraten. Und der andere würde wahrscheinlich nach Sir Thomas, dem Vertreter der Krone schreien, nach der Army, der Navy und seinem Kammerdiener. Oder ein Dieb, der zufällig vorbeikam, würde ihn umbringen, bevor er aus seiner Ohnmacht erwachte. Deshalb durfte sie ihn, den Gesetzen der Menschlichkeit zufolge, nicht hier liegen lassen, mochte er ihr auch noch so viele Unannehmlichkeiten bereiten.
Seufzend sperrte sie ihre Tür auf und rief: „Éla, Kate, bist du da?“
Im oberen Stockwerk erklangen Schritte, eine vollbusi ge Frau beugte sich über das Treppengeländer. „ Aye, hier bin ich, Liebes. Soll ich dir mit dem schweren Wäschekorb helfen?“
„Nein, mit einem Mann. Ist Fred bei dir?“
„Gewiss, soeben hat er zu Abend gegessen. Macht dir jemand Schwierigkeiten. Vorhin habe ich irgendwas da draußen gehört … Fred!“
„Ja, Liebste?“ Ein dunkler Kopf erschien neben Kate. „Guten Abend, Alessa.“ Sie stiegen die Treppe herab, und Sergeant Fred Court ging zu den verkrümmten Gestalten, die er mit professioneller Sachlichkeit betrachtete. „Wen haben wir denn da?“
Kate, die Liebe seines Lebens, Alessas Freundin und Nachbarin, fragte besorgt: „Wer sind die beiden, Alessa? Könnten sie tot sein?“
„Nun, der eine ist ein englischer Gentleman, ein leichtsinniger Tourist, der hierher spazierte und von Petro und seinem Kumpan Georgi überfallen wurde. Nur der Himmel mag wissen, ob er tot ist. Jedenfalls hat Petro ihm kraftvoll genug seinen Knüppel auf den Kopf geschlagen. Der wird zumindest an einem steifen Nacken und einem Brummschädel leiden.“
„Am besten bringe ich den Engländer in die Residenz von Sir Thomas.“ Sergeant Court strich über sein stoppelbärtiges Kinn. „Lasst mich meine Jacke holen, dann trage ich ihn hin.“
„Nein, das würde eine halbe Stunde dauern“, protestierte Alessa, „und ihm nichts nützen, nachdem Petro ihn so brutal niedergeschlagen hat. Schaffen wir ihn in unser Haus.“
„Soll ich Seine Lordschaft verständigen?“ Fred stieß Petros schlaffen Körper mit einer Stiefelspitze zur Seite und bückte sich zu dem Opfer hinab.
„Spar dir die Mühe, morgen früh schicke ich Demetri hinüber. Und jetzt muss ich erst mal die Wäsche holen.“
Als Alessa mit dem Korb zurückkehrte, hatte der Sergeant sich den Engländer bereits über die Schulter geworfen und trug ihn die Treppe hinauf.
„Pass auf seinen Kopf auf, Alessa“, mahnte Kate und nahm ihr den Korb aus den Armen. „Allzu vorsichtig geht Fred nicht mit ihm um.“
Hastig stieg Alessa hinter dem Sergeant die Stufen hinauf und ergriff den pendelnden Kopf des Bewusstlosen, um ihn festzuhalten. Weiter unten beschmutzten Blutflecken das Geländer, das sie zusammen mit Kate weiß gestrichen hatte. Aber sie machte Fred keine Vorwürfe wegen seiner Nachlässigkeit, denn er bekundete einfach nur jene Ver achtung, die fast alle Soldaten für ihre Herren und Meister hegten. Warum musste der leichtfertige Idiot auch mitten in der Nacht durch diese dunklen Gassen laufen, sich in Schwierigkeiten bringen – und hart arbeitende Leute behelligen?
„Leg ihn aufs Sofa.“ Sie schob einen Berg Flickwäsche und eine Fetzenpuppe vom abgewetzten Leder, dann wandte sie sich zu Kate, die ihr gefolgt war. „Schlafen die Kinder?“
„Wie Steine, dem Himmel sei Dank. Vor zehn Minuten habe ich nach dem Feuer gesehen“, fügte Kate hinzu und zeigte auf das Eisengitter, das die schwelende Asche im Ziegelherd schützte.
Alessa nahm ein Kissen und eine Decke aus dem Schrank und musterte den Fremden. Inzwischen blutete die Kopfwunde nicht mehr. „Ich werde ihn untersuchen. Wahrscheinlich hat er sich auch noch den Knöchel verstaucht, als er gestolpert ist.“
„Bringen wir’s hinter uns.“ Kate drehte sich zu ihrem Liebhaber um, der am Fenster stand. „Was siehst du denn, Fred?“
„Gerade taumelt Petro davon. Ich glaube, morgen wird er gar nicht mehr wissen, was passiert ist. Soll ich euch Mädchen helfen? Aber ich muss bald ins Fort
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