Eine Luege ist nicht genug
Beileidsbekundung.
»Er meint Dad«, blaffte Hamilton. »Erinnerst du dich? Dein erster Mann?«
Mrs Prince senkte den Blick und ich kam mir vor wie der letzte Depp.
»Hamilton! Entschuldige dich bei deiner Mutter«, verlangte Claude.
»Sie zuerst.«
Claude hatte nicht die geringste Macht über Hamilton und das wussten sie beide ganz genau. Mein Freund verschränkte herausfordernd die Arme und lehnte sich gegen die Wand. Ich überlegte, ob ich einen meiner typischen Nonsenssprüche vom Stapel lassen sollte, um die Stimmung aufzulockern, entschied aber, dass das auch nicht helfen würde, und schob stattdessen die Hände in die Hosentaschen.
»Horatio, wir haben hier etwas eher Geschäftliches zu erledigen«, sagte Claude zu mir. »V ielleicht könntest du oben warten. Schau dir einen Film an.«
»Er ist hier, weil ich ihn darum gebeten habe«, sagte Hamilton und forderte seinen Onkel zu einem Nein heraus.
Sein Onkel seufzte. »Also, wenn das so ist, magst du vielleicht etwas zu essen?« Er deutete auf eine Schale mit süßem Gebäck.
»Gibt’s auch Obst?«
»Obst?«
»Ja. Sie wissen doch, klein, rund, viele schöne Farben. Sie haben sicher schon Bilder davon gesehen.«
Claude kam nicht dahinter, ob ich einfach nur lustig war oder ob ich ihn veräppeln wollte, aber das eine gefiel ihm so wenig wie das andere. Es war, als hätte ihm jemand das falsche Lächeln aus dem Gesicht radiert. Was darunter hervorkam, war die kälteste und gemeinste Visage, die ich je gesehen hatte, außer in dem Film über den Serienkiller, der seine Opfer aufgefressen hat. Meine Haut prickelte, und ich verstand langsam, warum Hamilton diesen Kerl hasste.
Ich zuckte mit den Schultern und angelte nach einem Plunderstückchen. »Na gut«, sagte ich, »w enn’s sonst nichts gibt …«
Claude kehrte nicht zu seiner verlogenen Freundlichkeit zurück. Er musterte mich, als hätte er in mir einen neuen Feind ausgemacht, was mir nur recht war.
Der Justiziar der Familie, Paul Mendelsohn, kam hereingehetzt wie eine Figur aus einem Zeichentrickfilm. Fast hätte ich erwartet, dass Bugs Bunny aus seiner Aktentasche gehopst käme und Papiere um sich verstreute, während Paul mit seiner Brille jonglierte.
»Entschuldigen Sie bitte meine Verspätung, aber ich hatte offenbar das Testament zwischen ein paar Unterlagen gelassen, die ich in meinem Wagen deponiert hatte.«
Er setzte sich an den Tisch. Claude kam dazu und zog seinen Stuhl dicht an Mrs Prince heran, die sich an ihn lehnte. Wenn da nicht diese heikle Angelegenheit mit dem toten Bruder / Ehemann gewesen wäre, hätten sie ausgesehen wie ein Bilderbuchpaar. Hamilton wechselte einen grimmigen Blick mit dem Bär auf dem Boden und blieb, wo er war. Hol’s der Geier, dachte ich, du steckst eh schon mit in dieser Vorhölle, und setzte mich auch an den Tisch. Claude schaute mich mit gerunzelter Stirn missbilligend an, aber davon ließ ich mich nicht beeindrucken.
»Ja, schaun wir mal. Schaun wir mal.« Justiziar Paul fischte in seiner Aktentasche herum und zog ein gewichtiges Dokument hervor, einen dicken Packen Papier, in dreifacher Ausfertigung unterschrieben. »Oh, ich, also ich habe nicht daran gedacht, für jeden eine Kopie anzufertigen, damit alle folgen können.«
»Das geht schon in Ordnung, Paul«, meinte Claude. Das fröhliche Gesicht war wieder da und dieser schnelle Wechsel hatte etwas Gespenstisches an sich. »Hier spricht sowieso niemand Juristensprache. Warum legen Sie nicht einfach die wichtigen Punkte dar?«
Paul räusperte sich und schob die Brille hoch. »Ja, sehr gut. Schaun wir mal … die wichtigen Punkte …«
Er blinzelte auf die winzige Schrift des Testaments, blätterte vorwärts und dann wieder zurück, als wäre ihm vielleicht etwas entgangen, das er hätte finden müssen. Allmählich dachte ich, ich wäre wirklich besser oben geblieben und hätte mir einen Film angesehen. Mein Blick wanderte zu einem Brett voller Pokale und Plaketten an der Wand über uns, alle von Claude. Doch der Witz bestand darin, dass sie offenbar alle für zweite Plätze oder für die Ehrenmitgliedschaft in lokalen Bruderschaften oder Vereinen waren.
»Ah, ja, hier sind wir. ›Ich, Hamilton Prince der Vierte, bei meiner Familie und meinen Freunden als Rex bekannt, vermache bei bester körperlicher und geistiger Verfassung, et cetera, et cetera … meiner geliebten Gattin Trudy alle meine rechtmäßigen Besitztümer, eingeschlossen der Familiensitz in Denmark, Tennessee, das Strandhaus
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