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Eine Luege ist nicht genug

Titel: Eine Luege ist nicht genug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Gratz
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bist. Aber warum hasst du deine Mutter so?«
    »W eil sie zu blöd war, ihn als das zu durchschauen, was er wirklich ist: ein undankbarer Kerl, ein Dummbeutel und Blutsauger. Und jetzt …«
    Und jetzt ein Mörder. Das dachte Hamilton. Er war nicht in der Stimmung, es erneut mit mir zu diskutieren, oder vielleicht hatte ihn auch der plötzliche Gedanke daran wieder etwas ernüchtert. Jedenfalls war er wohl der Meinung, er wüsste die Antwort, und trank sein Glas aufs Neue leer. Er kippte den Fusel so einfach weg, dass ich mich fragte, ob er vor der Testamentsverlesung nicht bereits vorgeglüht hatte.
    »Ist ein bisschen früh, oder?«
    Hamilton antwortete mir mit einem neuen Glas. Er steuerte auf einen Punkt zu, an dem ich noch nie gewesen war und wohin ich auch nie gelangen wollte.
    Es hat keine religiösen Gründe, dass ich nicht trinke, und moralische Entrüstung ist es auch nicht. Wenn mein Vater mit mir zum Football gegangen ist, hat er ein oder zwei Bier getrunken, und das war in Ordnung. Aber als ich überhaupt zum ersten Mal mit denen vom Ort zu einer Party gegangen bin, auf der getrunken wurde, beobachtete ich, wie sich ein Mädchen, für das ich mich interessierte, volllaufen ließ und dann von der Hälfte der Typen im Raum angegrapscht wurde. Später am Abend wurde sie blau im Gesicht, und ich wickelte sie in eine Decke und wischte ihr immer wieder das Erbrochene ab, auch wenn sie sich nicht mal an meinen Namen erinnerte.
    Das war das erste und letzte Mal, dass ich etwas getrunken habe.
    Seitdem bin ich schon auf vielen Partys gewesen. Die Leute wissen, dass das alkoholfreie Bier im Kühlschrank für mich ist und lassen mich meistens in Ruhe. Ab und zu gibt’s mal einen, der nur dann glücklich ist, wenn alle im Raum trinken, und der dann so was Idiotisches macht wie mir Wodka in die Flasche zu kippen, wenn ich nicht hinsehe. Aber solche Typen sind immer schnell genug weggetreten, und die Mädchen, die sich beim Trinken unter Kontrolle haben, kann ich dann den restlichen Abend anmachen.
    »Sie war immer schon jemand, der Leute um sich rum brauchte«, sagte Hamilton leise. »Meine Mutter, meine ich. Sie kann nirgendwohin alleine gehen. Muss am Telefon reden oder eine Freundin zu Besuch haben. Als Dad gestorben ist, wusste ich, dass sie sich einsam fühlen musste … Aber Claude heiraten? Hätte sie sich da nicht besser einfach einen Hund angeschafft?«
    Nun kam also der wehmütige Teil unseres Programms. Ich hatte schon eine Menge mit betrunkenen Jungs und Mädels zu tun und kann sie meistens in eine der drei Kategorien einordnen: dümmliche Betrunkene, müde Betrunkene und traurige Betrunkene. Hamilton gehörte eindeutig in die letzte Kategorie.
    »Hamilton«, sagte ich und wartete, bis er mich geortet hatte. »W illst du ehrlich, dass ich herausbekomme, was mit deinem Vater passiert ist?«
    »W as soll’s? Das bringt doch nichts, oder?«
    Hier sprach der Alkohol. Ich kapierte, dass ich nur noch ein kleines Fenster zur Verfügung hatte, durch das er zwar schon ungehemmt, aber noch zusammenhängend reden konnte, und ich brauchte Antworten, wenn ich helfen sollte.
    »W ie ist dein Vater gestorben, Hamilton?«
    »W as?«
    »Dein Vater. Wie ist er genau gestorben? Was haben sie dir erzählt?«
    »An einem Morgen ist er einfach nicht mehr aufgewacht. Meine Mutter ist neben ihm im Bett wach geworden und da war er schon tot. Sie … sie hat Claude gerufen, bevor sie die Security geholt hat.«
    »W arum?«
    Hamilton zuckte mit den Schultern und ließ den Drink in seinem Glas kreisen. »Ich schätze, sie hat einen warmen Körper gebraucht, der seinen Platz im Bett einnehmen konnte.«
    Ich dachte über diese neue Information nach, während Hamilton einen weiteren Schluck hinunterstürzte. Wenn sich Claude und Mrs Prince nahestanden – vielleicht sogar schon ein Liebespaar waren –, könnte sie ihn gerufen haben, damit er half, etwas zu vertuschen. Sollte sie unschuldig sein, war es auch sehr gut möglich, dass sie einfach nicht damit fertig wurde, neben ihrem toten Mann aufzuwachen, und sich an die einzige Person gewandt hatte, bei der sie auf Hilfe hoffen konnte. Ich jedenfalls würde in so einer Situation total ausflippen.
    »W oran genau ist er gestorben?«
    »Krebs. Jedenfalls hat Claude Mom das erzählt. Er hat sich um alles gekümmert.«
    Ich lehnte mich zurück. Krebs ist tödlich, aber kaum eine Mordwaffe. Man konnte jedenfalls keinem mal so eben Krebs verabreichen. Jedenfalls nicht ohne einen

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