Eine Lüge macht noch keine Liebe! (German Edition)
wurde
wieder lauter. „... bleiben ...“ verstand sie gerade noch.
„Was?“ schrie sie zurück.
„Ich sagte, du sollst heute … zu
Hause bleiben, verstehst du? Ich komme vorbei, sobald … kann!“
„Ja! Pass auf dich auf!“
„Versprich mir, dass du zu Hause bleibst!
Versprich …!“
Das Gespräch brach ab.
„Scheiße“, entfuhr es ihr und am
liebsten hätte sie das Telefon an die Wand geworfen, besann sich aber zum Glück
im letzten Moment. Es war schließlich ihre einzige Verbindung zu ihm. Hastig versuchte
sie, ihn zurückzurufen, bekam aber nicht einmal mehr ein Rauschen zu hören. Sie
konnte also nichts anderes tun als warten.
Unruhig lief sie durchs ganze
Haus und schloss überall sorgfältig alle Fenster und Türen. Nachdem sie zweimal
alles kontrolliert hatte, fühlte sie sich etwas wohler. Aufatmend setzte sie
sich auf die Couch und stellte den Fernseher an. Das Bild, das die Antenne
lieferte, war schwächer als sonst und als sie aus dem Fenster sah, erkannte sie,
dass ein inzwischen aufgekommener starker Wind die Äste schüttelte. Nun hörte
sie es auch an den Fenstern und Jalousien rütteln. Sie ging nach oben und ließ
in den beiden Schlafzimmern und im Bad die Rollos herunter, machte das Licht
aus und schloss die Türen. Nun werde nicht gleich hysterisch, befahl sie sich
und setzte sich aufatmend wieder hin.
Wenig später sprang sie wieder
auf. Sie musste doch irgendetwas tun können, irgendwas! Einen Moment lang
schoss ihr der Gedanke durch den Kopf, nach Goro zu fahren und Alessandro zu
helfen, doch sie verwarf die Idee ganz schnell wieder als puren Unsinn. Falls
sie ihn überhaupt finden sollte, würde sie mehr stören als nützen, in einer
derartigen Situation war eine unerfahrene Landratte sicher fehl am Platz.
Eine Weile schaffte sie es, sich
auf das Fernsehprogramm zu konzentrieren, doch schließlich griff sie zum
Telefon und rief in Micheles Pub an. Gaia antwortete ihr.
„Ciao Gaia, hier ist Lara. Wie
geht’s euch denn so?“
„Ciao Lara. Es ist eine
fürchterliche Hektik hier ausgebrochen, die richten sich alle darauf ein, die
Nacht über hier zu bleiben. Sie haben Proviant gebracht, um die Helfer zu
versorgen und alles auf die Cafés verteilt. Wir müssen die ganze Nacht durch
offen lassen, damit die Leute sich ausruhen und etwas essen und trinken können.
Michele ist gerade weggefahren, um noch schnell ein paar Pappbecher und Teller
zu besorgen. Ich habe keine Ahnung, wann er wiederkommt.“
Lara zögerte keine Sekunde. Das
war vielleicht die Gelegenheit, etwas Sinnvolles zu tun, anstatt nur
herumzusitzen und auf das Ende des Hochwassers zu warten.
„Ich bin in fünf Minuten bei
dir.“
Gaias Widerrede hörte sie schon
nicht mehr.
Sie rannte nach oben und zog ein
paar alte Sachen an, dazu feste Schuhe, mit denen sie bequem ein paar Stunden
auf den Beinen würde sein können. Sie überlegte, ob sie wohl einen Parkplatz
finden würde und nahm dann doch kurz entschlossen das Auto. Vielleicht konnte
man sie ja brauchen, um irgendwohin zu fahren, dachte sie. Dann schloss sie
auch noch die anderen Jalousien im Haus, sperrte die Tür ab und fuhr los. Sie
bemerkte nicht, dass sie ihr Handy auf dem Wohnzimmertisch hatte liegenlassen.
Im Dorf herrschte angespannte
Hektik. Das kleine Lokal war brechend voll und Gaia kämpfte hinter der Theke
tapfer mit dem Geschirr, den Gläsern und den Tränen. Sie sah abgekämpft aus.
„Du bist ein Engel“, meinte sie
und schenkte Lara ein dankbares Lächeln.
„Ach was", wehrte die ab,
„sag mir lieber, was ich tun soll.“
Sie ließ sich von Gaia
bereitwillig dirigieren, verteilte Brote und Getränke, räumte Tische ab, spülte
Gläser, trocknete Teller und Tassen, um Minuten später wieder ganz von vorne
anzufangen. Stapelweise standen Dosen und Flaschen mit Getränken herum, die man
gebracht hatte, um sie an die Freiwilligen zu verteilen. Immer neue Gesichter
kamen herein und je länger der Tag dauerte, umso müder sahen sie aus. Lara
hatte es längst aufgegeben, in dem hastigen, undeutlichen Stimmengewirr aus
verschiedenen Dialekten etwas verstehen zu wollen, sie konzentrierte sich nur noch
auf Gaias Stimme.
Draußen wurde es inzwischen
dunkel und schließlich kam Michele zurück, auch er sah müde aus. Vor ihm her
hüpfte übermütig ihre kleine Tochter, Elena, mit ihren knapp fünf Jahren ein
Energiebündelchen, das das ganze Chaos ungeheuer unterhaltsam fand, wie Lara
feststellen konnte. Sie plapperte und lachte,
Weitere Kostenlose Bücher