Eine Luege macht noch keine Liebe!
hatte, nicht früher!
Im Geiste ging sie eine Reihe von den Orten durch, die sie gemeinsam besucht hatten und die ihnen etwas bedeuteten und versuchte, sie nach Wahrscheinlichkeiten zu ordnen. Viel blieb nicht übrig, gestand sie sich ein, dennoch wollte sie es versuchen.
Zuerst fuhr sie ins Dorf und drehte dort eine Runde. Sorgfältig suchte sie die Parkplätze ab, es konnte ja sein, dass er zufällig gerade hier war. Dann schaute sie bei Valeries Haus vorbei, aber es lag natürlich verlassen da.
Ihr nächster Weg war sein Haus, das kleine, unscheinbare Fischerhäuschen, in dem sie so viele und intensive Stunden miteinander verbracht hatten. Lange Minuten stand sie vor dem verschlossenen Gartentor und starrte auf das verlassene Gebäude. Es schien Ewigkeiten her zu sein, seit sie hier ihre letzte gemeinsame Liebesnacht verbracht hatten. Hätte sie damals nur den Mut und die Vernunft aufgebracht, seine Frage zu beantworten und seinen Heiratsantrag anzunehmen, dann hätte sich vielleicht alles ganz anders entwickelt!
Unsinn, schalt sie sich, du verklärst das Ganze! Es hätte dich auch damals schon unendlich gestört, was du dann von ihm erfahren hättest und du hättest genauso unvernünftig darauf reagiert wie einen Tag später. Aber wenigstens hätte sie es von ihm erfahren, und vielleicht hätte er die richtigen Worte gefunden, sie wieder zu beruhigen und davon zu überzeugen, dass ihre Bedenken falsch waren.
Hätte, hätte, hätte!
Sie seufzte gequält. Mit aller Macht kam ihr der erste Abend in Erinnerung, als er sie durch den Nebel hierher gebracht hatte, sie dachte an ihre absurde Angst, er wolle sie entführen, ehe sich ihr Irrtum endlich aufklärte. Wie ärgerlich er doch über ihr Misstrauen gewesen war! Sie lächelte unter Tränen und rief sich zur Vernunft. Hier in Erinnerungen zu schwelgen brachte sie auch keinen Schritt weiter und sie hatte ja gewusst, dass es nicht einfach werden würde, ihn zu finden. Sie erinnerte sich daran, wie sie ihn schon einmal gesucht hatte, als Andreas so unerwartet aufgetaucht war. Im Gegensatz zu ihrer jetzigen Situation war das damals ein Kinderspiel gewesen und sie hatte kaum annehmen können, dass er sie absichtlich hier erwartete so wie damals. Für ihn schien das Kapitel ja erledigt zu sein und wie sie vermuten musste, diesmal endgültig.
Panik stieg in ihr hoch.
Was, wenn Gaia nun doch recht hatte? Wenn er tatsächlich den gleichen Dickschädel an den Tag legte wie sie und sie wirklich nicht mehr sehen wollte? Er konnte einfach aus ihrem Leben verschwinden und sie würde niemals erfahren, wohin. Er hatte jede Menge Optionen und wenn sie es einem Menschen zutraute, seine Spuren zu verwischen und ohne ein Lebenszeichen auf Nimmerwiedersehen abzutauchen, dann auf jeden Fall Alessandro. Wenn er nicht wollte, würde sie nie im Leben von irgendeiner Menschenseele erfahren, wo er sich gerade aufhielt, davon war sie überzeugt!
Im Krankenhaus hatte er mit ihr gesprochen, noch einmal versuchte sie so gut es ging, die vagen Erinnerungsfetzen an diese Situation aus den Tiefen ihres Gedächtnisses zu kramen. Der Ton seiner Stimme war nicht böse gewesen oder wütend, eher traurig und sehnsüchtig, das zumindest glaubte sie herausgehört zu haben. War das ein gutes Zeichen? Konnte sie daraus etwas schließen, etwas, das ihre wilden Hoffnungen bestätigen konnte? Oder täuschte sie sich und interpretierte in ihre undeutlichen Erinnerungen diesen positiven Eindruck nur hinein, weil sie sich der Wahrheit nicht stellen wollte?
Sie wusste es nicht. Ohne große Hoffnung auf Erfolg versuchte sie noch einmal, ihn anzurufen, doch sie erhielt wieder nur die höfliche, unpersönliche Nachricht, dass ihr gewünschter Gesprächspartner momentan nicht zu erreichen sei.
Sie atmete tief durch, dann nahm sie ihren ganzen Mut zusammen und wählte die Nummer, die Antonia ihr gegeben hatte. Ihr fiel keine andere Lösung ein, an wen sonst konnte sie sich denn schon wenden? Sein neues Haus war ihr noch kurz in den Sinn gekommen, aber sie schob den Gedanken von sich. Wenn er dort sein sollte, dann würde sie es hoffentlich erfahren.
Es läutete lange, ehe sich eine Frauenstimme meldete.
„Pronto?“
„Pronto, Antonia?“
„Sì?“
„Ich bin es, Lara“
„Ciao, wie geht es dir?“
„Gut danke, ich bin heute entlassen worden.“
„Das freut mich zu hören.“
„Antonia“, sie schluckte mutig ihre Nervosität hinunter, „du hast mir deine Hilfe angeboten. Darf ich sie in
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