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Eine Messe für die Stadt Arras

Eine Messe für die Stadt Arras

Titel: Eine Messe für die Stadt Arras Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrzej Szczypiorski
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war. Das heißt aber nicht, daß ich ohne zu zweifeln und zu zögern seine Lehre übernommen hätte. Mein Kopf war zwar leer, aber in den Knochen lagen mir noch die Genter Ausschweifungen – was mich eher trotzig machte.
    Wir unterhielten uns die ganze Nacht hindurch, bis die Sonne wieder hinter den Hügeln hervorschaute und die Gäßchen der Stadt erhellte. Ich wollte wissen, was er von der Gleichheit der Menschen angesichts Gottes, aber auch angesichts ihres irdischen Seins denke.
    »Worin ist der Hirt deiner Herden schlechter als du?« entgegnete Albert. »Fest steht: hinsichtlich seiner Geburt. Du bist in einer guten Familie zur Welt gekommen, die von den Himmeln dazu berufen wurde, ein leuchtendes Beispiel an Tugend und Gerechtigkeit zu geben. Einfache Menschen haben einen einfachen Lebenslauf. Man kann von ihnen nicht Taten erwarten, die dir zu tun bestimmt sind – was nichts anderes meint als größere Lasten tragen. Nicht dazu besitzt du Herden fetter Kühe und edler Pferde, damit du im Unflat lebst, sondern um schmerzlichen Prüfungen unterzogen zu werden. Will der Herr einen Bettler versuchen, schickt er die Pest auf ihn herab. Will er dich versuchen, schickt er dir gleichfalls die Pest. Vergegenwärtige dir das Leiden eines im Kirchenportal zusammengekauerten Bettlers, dessen Leib mit Geschwüren bedeckt ist, und stell dir vor, wie ein Reicher leidet, wenn er in herrlichen Gemächern, inmitten seiner Dienerschaft, würdiger Beschützer und schöner Konkubinen unter Gestank und Verwesung verreckt! Wenn dir eine hohe Geburt gegeben ist, dann dazu, damit du aus der Höhe herabstürzest. Nach göttlichem Ratschluß geschieht es, daß alle Bequemlichkeit und Subtilität deiner Existenz einem um so schwereren und traurigeren Tod zu dienen haben. Vom Elend zu scheiden, fällt ja nicht schwer.«
    Um der Wahrheit die Ehre zu geben, mich kam ordentlich Lust an, seine Lehren zu verspotten; denn solch schnörkliges Gerede war ganz und gar nicht nach meinem Geschmack. Mich verdroß an Albert sein kunstvolles Denkritual und auch seine Geschwätzigkeit, die noch aus den alten Zeiten herrührte, da die Menschen über nichts anderes als über den Herrgott und seine Heiligen zu reden verstanden. Ach, ich glaubte inbrünstig und war ein frommer Christ, aber ich wollte nicht mein ganzes Leben damit vergeuden, Gottes Wollen und Trachten zu erforschen, um ihm zu gefallen. Was er mit mir tun wollte, war seine Sache, während ich es für meine Sache hielt, in Einklang mit der Natur zu leben, mit der man mich ausgestattet hatte. Haltet mich für einen Schmarotzer, wenn es euch beliebt; denn, wahrhaftig, nur nach dem einen dürstete mich – nach Freiheit! Wenn sich mir Gott in den Weg stellte, machte ich einen Bogen um ihn.
    Ich hoffe, daß er mir in seiner unbeschreiblichen Güte großmütig verzeihen wird…

Freiheit… I M N AMEN DES V ATERS UND DES S OHNES UND DES H EILIGEN G EISTES. A MEN . Freiheit – das heißt, der zu sein, als den uns die Himmel geschaffen haben. Eine Freiheit der Narretei und der Klugheit, der Leichtlebigkeit und des Leidens, des Glückes und des Unglückes also.
    Bei aller Hochachtung, die ich für Albert hegte, war ich alleweil der Ansicht, daß ein Stück von einem stumpfsinnigen Pfaffen in ihm steckte. Ach, wie es ihn verlangte, um die Erlösung der Seelen zu kämpfen… Selbst zu den Maikäfern beugte er sich, von Sendungsbewußtsein beseelt, herab. Eben diese Mission empfand ich als eine Art Gefangenschaft. Wenn er selber sich in der Haut des Lehrers und Propheten wohl fühlte, war er frei, gewiß. Doch sofern er versuchte, diese Haut über meinen Nacken zu zerren, wurde er zu einem Tyrannen.
    Einmal hatte er mir einen Disput über den Kommentar des verehrungswürdigen JeanGerson * aufgetragen. Es war dies eine Arbeit, die gut und gern drei Sonntage in Anspruch nahm. Frühling war’s, und die Stadt badete sich in strahlendem Sonnenlicht. Zu Beginn des Jahres war Herzog Philipp nach Arras gekommen und mit ihm sein quicklebendiger, fröhlicher Hof. Wie ihr wißt, trieb sich dort zu jener Zeit eine Menge Engländer herum, und obschon ihnen der Herzog letzten Endes den Rücken gekehrt hatte, waren sie doch auf seinen Gütern verblieben, wo sie auf Kosten Burgunds feierten und zechten. Ja, ja, die Engländer sind stets da zu finden, wo man es sich wohl sein lassen kann… Als es zu tauen begann, reiste Philipp nach Brüssel weiter, während in Arras allerlei Volk Aufenthalt nahm: Freßsäcke,

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