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Eine Mittelgewichts-Ehe

Eine Mittelgewichts-Ehe

Titel: Eine Mittelgewichts-Ehe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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zusammen?« fragte sie.
    Sie betrachteten gerade Gerstls ›Die Familie Schönberg‹, ca. 1908. »Ein unbedeutender Maler, der es geschafft hat«, sagte Severin. »Natürlich hat er zuerst sterben müssen. Nicht eines seiner Bilder wurde zu seinen Lebzeiten ausgestellt. Meinem Vater war es natürlich nicht vergönnt, sich nach 1938 groß weiterzuentwickeln ...«
    »Behalten Sie die Wohnung Ihrer Mutter, vielleicht für Ferien?« fragte Edith.
    »Ferien?« echote Severin. »Wenn man so lebt, wie man will, dann wird die Vorstellung von Ferien obsolet. Einmal haben Mutter und ich eine Griechenlandreise gemacht. Wir waren gerade am Packen, als Vaso oder Zivan sie fragte, ob sie dort auch Modell stehen würde. ›Natürlich‹, sagte Mutter, ›wenn jemand malen will, will ich ihm sitzen.‹ Wir sind bloß nach Griechenland gefahren, verstehen Sie, aber meine Mutter mochte, was sie tat; sie machte nicht von etwas Ferien.«
    »Und was mögen Sie?« fragte Edith.
    »Sprachen«, sagte er. »Ich wünschte, jeder spräche zwei oder drei Sprachen und benützte sie - alle zusammen. Es gibt nur soundso viele Arten, in einer Sprache etwas zu sagen. Wenn wir nur noch mehr reden könnten, mehr schildern, mehr Verwirrung stiften - aber es wäre letztlich keine Verwirrung; es wäre bloß wunderbar kompliziert. Ich liebe Komplexität«, sagte er. »Nehmen Sie zum Beispiel Essen. Ich wäre gern ein großer Koch. Ich will lernen, wie man Sachen immer besser kocht - raffinierte Sachen, überwältigende Sachen, köstliche und gehaltvolle Sachen, alle Sachen! Ich liebe das Essen.«
    »Würden Sie gern Ihr eigenes Restaurant betreiben?«
    »Was?« sagte er. »Gott, nein. Ich will für mich selber kochen, und natürlich für enge Freunde.«
    »Aber wie wollen Sie sich Ihren Lebensunterhalt verdienen?« fragte Edith.
    »Auf die leichtestmögliche Art. Ich kann Deutsch unterrichten. Ich würde lieber Kochen unterrichten, aber das bringt nicht viel Geld. Und ich würde schrecklich gern Ringer trainieren, aber ich habe kein Trainerdiplom. Jedenfalls«, sagte er, »kommt es mehr darauf an, wie ich lebe, als darauf, was ich tue. Ich habe Ambitionen auf die Qualität meiner Lebensweise; ich habe keine Ambitionen aufs Geldmachen. Im Idealfall heirate ich eine reiche Frau und koche für sie! Ich würde jeden Tag trainieren - natürlich zu unser beider Nutzen -, und ich hätte Zeit, genug zu lesen, um eine ständige Quelle von Informationen, Ideen und Sprache zu sein. Ah, Sprache! Es stünde mir frei, mich den Grundlagen zu widmen. Mir wäre es lieber, für mein Einkommen würde gesorgt, und ich würde als Gegenleistung für Qualitätsgespräche, Qualitätsessen und Qualitätssex sorgen! Oh, Verzeihung ...«
    »Weiter«, sagte Edith. Sie wollte Schriftstellerin werden, und ihr kam es mehr darauf an, was sie tat, als wie sie lebte, dachte sie. Sie wollte nie etwas kochen, aber sie aß fürs Leben gern. Dieser Mann sagte zu ihr, daß er die Ambition hatte, Ehefrau zu werden! »Bitte, weiter«, sagte sie zu ihm.
    »Ich fürchte, Sie haben alles von meinem Vater gesehen, was hier ist«, sagte Severin. »Alles andere ist in Privatbesitz. Wir könnten zuerst zu Mittag essen.«
    »Ich liebe Essen«, sagte Edith.
    »Wir könnten bei mir zu Mittag essen«, sagte Severin. »Ich habe zufällig gerade eine Gulaschsuppe gekocht, und ich probiere gerade eine neue Vinaigrette für Spargel aus.«
    »Und in Ihrer Wohnung gibt's noch mehr Kurt Winter zu sehen«, sagte Edith hilfreich.
    »Aber manche von denen sind nicht verkäuflich«, sagte Severin.
    »Ich dachte, alles wäre verkäuflich.«
    »Bloß die Kunstwerke«, sagte Severin. » Alle Kunstwerke sind verkäuflich.«
    Die pornographischen Zeichnungen und Gemälde von Katrina Marek waren natürlich keine Kunstwerke; sie waren seine Mutter und seine Geschichte; sie waren seine Grundlagen - was Edith an ihm vielleicht von Anfang an begriff. Die von Katrina Marek waren im Schlafzimmer; die Kunstwerke waren im Wohnzimmer.
    »Sehen Sie sich um«, sagte Severin, während er die Gulaschsuppe wärmte. Den wahren Jakob fand sie natürlich in seinem Schlafzimmer: ein Reigen von Positionen und erotischen Posen umgab sein ordentlich gemachtes Bett. Sie wäre vielleicht beunruhigt gewesen, wenn sie nicht gewußt hätte, daß das Modell seine Mutter war. Aber als sie darüber nachdachte, fragte sie sich, ob das eigentlich nicht noch beunruhigender war. Ich glaube, Edith muß Katrina Marek als Konkurrentin empfunden haben. Sie

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