Eine Mittelgewichts-Ehe
können, wenn seine Augen zu waren. »Machen Sie die Augen zu und antworten Sie mir«, sagte Edith. »Wie viele Bilder?« Er schien nachzudenken, und sie glitt vom Bettrand, ging in die Küche und drehte die Flamme unter der Gulaschsuppe ab. Sie brachte den Wein und zwei Gläser mit ins Schlafzimmer. Seine Augen waren immer noch zu, und sie streifte sich die Schuhe ab; sie goß ihnen beiden Wein ein und schob sich wieder neben ihn aufs Bett. Sie wollte rauchen, aber seine Zähne wirkten zu weiß und seine Brust zu breit, als daß er es billigen würde. Er hatte so schmale Hüften, so kurze Schenkel.
»Vielleicht fünf von den großen Gemälden«, sagte er. »Aber von den fünf, an die ich denke, haben Sie keine zwei gesehen.«
»Das glaube ich Ihnen unbesehen«, sagte sie, »aber ich will aussuchen können, für meine Mutter und mich.« Er machte die Augen auf, und sie reichte ihm Wein; er nippte daran; sie nahm ihm das Glas weg und bedeutete ihm, sich wieder zurückzulegen und die Augen zu schließen. Er tat wie geheißen. »Zwei Bedingungen«, sagte sie, als er ganz still lag; er machte ein Auge auf, aber sie strich es mit der Hand zu. Beinahe hätte sie die Hand auf seinen Augen behalten, besann sich aber eines Besseren und stützte die Hand dicht neben seinem Gesicht aufs Bett. Sie wußte, daß er das Parfüm auf ihrem Handgelenk riechen konnte; sie konnte seinen langsamen Atem an ihren Fingern spüren. »Erste Bedingung«, sagte sie und hielt inne, »ist, daß eines von den fünf Gemälden eines von denen ist - Sie brauchen nicht zu schauen, Sie wissen, was ich meine. Ich verspreche, daß es nie in der Öffentlichkeit gezeigt wird; ich werde es nie verkaufen oder an ein Museum ausleihen. Offen gestanden will ich es für mein Schlafzimmer.«
»Welches?« fragte er.
Edith betrachtete das, das sie wollte. »Sie liegt auf dem Rücken, ein Bein flach ausgestreckt, das andere im Knie angewinkelt. Sie berührt sich ganz leicht, glaube ich, aber ihr Gesicht ist uns zugewandt, und sie führt die Fingerspitzen an die Lippen - als ob sie uns zum Abschied eine Kußhand zuwirft oder vielleicht bloß die Hand vor den Mund hält, damit sie nicht losheult.«
»Sie kostet sich«, sagte Severin. Plötzlich sah Edith das Bild. »Hat sie einen orangefarbenen Strumpf an?« fragte er. »Hängt der Strumpf so halb von ihrem rechten Fuß runter? Ihre Augen sind zu? Meinen Sie das?«
»Ja«, sagte Edith, beinahe flüsternd. »Das ist mein Lieblingsbild.«
»Also das können Sie nicht haben«, sagte er ihr. »Es ist auch mein Lieblingsbild.« Er machte nicht die Augen auf, um zu verhandeln. Edith war überrascht, aber sie redete weiter drauflos, als seien ihre Gefühle unerschüttert. Ich hab mich völlig verrannt, dachte sie; ich kenne mich nicht mehr.
»Zweite Bedingung«, sagte sie, »Sie müssen eine Frage beantworten, entweder mit Ja oder Nein. Beides genügt der Bedingung. Sie müssen sich nicht verpflichtet fühlen - seien Sie einfach ehrlich: sagen Sie ja oder nein.«
»Ja«, sagte Severin. Als sie ihn ansah, waren seine Augen offen. Sie versuchte, die Hand darüber zu legen, aber er packte sie und hielt sie sich leicht an die Brust. »Ja«, sagte er noch einmal.
»Aber ich habe die Frage noch gar nicht gestellt«, sagte sie und sah von ihm weg. Er wollte weder die Augen zumachen noch ihre Hand loslassen.
»Trotzdem ja«, sagte er. Er weiß die Frage schon, dachte sie und fühlte sich gedemütigt. Sie zog die Hand weg und beschloß, ihn nichts mehr zu fragen. Er war grausam; er wußte nicht, wann er mit der Neckerei aufhören mußte.
Aber er sagte: »Jetzt habe ich eine Bedingung.« Sie sah ihn an. »Sie müssen mit mir nach Griechenland kommen.« Das war ihre Frage gewesen: ob er wollte, daß sie mitkam.
Sie zuckte die Achseln. »Warum sollte ich das tun?« sagte sie. »Ich hab sowieso keine Zeit.« Sie stand vom Bett auf, fand ihre Handtasche und zündete sich eine Zigarette an. »Ist die Gulaschsuppe heiß?« fragte sie.
»Wenn Sie die Flamme nicht abgedreht haben«, sagte er, rollte sich weg und lag mit dem Gesicht nach unten auf dem Bett.
Edith ging in die Küche, drehte das Gas unter der Gulaschsuppe an und klapperte mit ein paar Töpfen herum, aber Severin ließ sich nicht blicken. Sie betrachtete ein Foto von seiner Mutter mit Frau Reiner und den beiden jugoslawischen Ringern. Sie alberten für den Fotografen, der, dachte Edith verschwommen, Severin gewesen sein mochte. Edith erkannte, daß Frau Reiner
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