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Eine Nacht, Markowitz

Eine Nacht, Markowitz

Titel: Eine Nacht, Markowitz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ayelet Gundar-Goshen
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durchzechten Nacht voller Geschichten. Sie setzten sich stumm nebeneinander, Jakob Markowitz rekrutierte seine Kräfte für den anbrechenden Tag, Seev Feinberg sammelte Mut, um es mit den bevorstehenden Albträumen aufzunehmen. In diesen Momenten entstand ein Wohlgefühl zwischen ihnen, das sie nie anzusprechen wagten.
    Die Tage sahen gleichförmig aus, gingen aber doch vorbei. Je näher sie Europa kamen, desto heftiger überlief die Passagiere ein unruhiges Beben, bis man hätte meinen können, das ganze Schiff tanze vor glühender Erwartung auf den Wellen. Sie redeten davon beim Frühstück und beim Abendessen, wenn sie an Deck standen oder in ihren Betten lagen. Sie redeten so viel von Europa, dass sie, als sie es dann endlich sahen, allesamt verstummten, als hätten sie nicht geglaubt, hinter ihren Worten könne ein realer Kontinent liegen. Jakob Markowitz stand an Deck und spähte an Land. Ihm war, als käme das Schiff schneller denn je voran, würde von einer magnetischen Kraft in den Hafen gezogen. Europa, für die Schiffspassagiere wie ein dritter Pol, um den sich alles drehte, nahm vor ihren Augen Gestalt an. Seev Feinberg stand neben ihm, mit geschlossenen Augen, weigerte sich, dieses Vergnügungsbabel eines Blickes zu würdigen, da schon allein der Gedanke an die Verheißungen das Herz erweichte und das Glied versteifte. Er ließ wieder und wieder Sonias Namen auf der Zunge zergehen, klammerte sich daran, um Verlockungen und Hexen zu bannen. Aber die Zunge spürte offenbar schon von Weitem die Butter und den Kakao, den zarten Rehbraten und die kecken Frauennippel, und Seev Feinberg stöhnte ein letztes Mal »Sonia« und dann nicht mehr.
    Zu dieser Zeit trat Sonia an die Küste Palästinas und spähte aufs Meer. Seev Feinberg schlug endlich die Augen auf und sah das europäische Festland immer näher kommen. Sonia stand mit offenen Augen da, sah jedoch nichts als Wasser. Elf Tage zuvor, genau an dem Morgen, an dem das Schiff den Haifaer Hafen verlassen hatte, war Sonia, einem inneren Drang folgend, losgegangen, um aufs Meer zu schauen. Man hätte das als schicksalhafte Duplizität der Ereignisse, als Beweis für die magische Verbindung zwischen den Liebenden werten können, wenn dasselbe Empfinden Sonia nicht schon die drei vorangegangenen Tage an den Strand getrieben hätte. Sonias Verhalten hatte nichts von jener hehren weiblichen Intuition, die Mütter mitten in der Nacht aufweckt in dem Wissen, dass der Sohn im Kampf verwundet wurde, oder sie anspornt, schnell einen Kuchen zu backen, in der unerklärlichen Gewissheit, dass er heute heimkehren werde. Es war nicht Intuition, sondern Hingabe. Wenn Seev Feinberg sich an der Nase kratzte, juckten ihr nicht die Nasenflügel. Als er wegen einer epidemischen Lebensmittelvergiftung auf dem Schiff schrecklichen Durchfall hatte, schlief Sonia den Schlaf der Gerechten. Sie spürte nicht, als das Schiff Europa erreichte, und hatte nicht den Tag seines Auslaufens aus dem Haifaer Hafen vorausgesehen. Sie wusste nur, dass sie auf ihn warten musste, bis er wiederkehrte, und dass er dann übers Meer heimkommen würde.
    Sonias Freundinnen lachten sie wegen ihrer sehnlichen Erwartung aus. Seev Feinberg sei ein prima Kerl, der lustigste Bursche, aber kein Schnauzer sei es wert, seinetwegen jeden Tag mit der Miene von Anna Karenina am Strand zu stehen. Sonia zuckte die Achseln und harrte aus, verfluchte Seev Feinberg dabei jedoch mit scharfer Zunge. Denn war sie auch zum Warten verdammt und besaß sie auch die verfluchte Neigung der Frauen, sich ein Stück Sand zu suchen und von dort übers Meer nach dem heimkehrenden Mann Ausschau zu halten, so hatte sie doch wenigstens den Mut, dagegen aufzubegehren. Sie beschimpfte Seev Feinberg von ganzer Seele und mit aller Kraft, lauthals und herzlich gern. Sein großartiger Schnauzer wurde bei ihr zu einer »Ansammlung schwarzer Würmer« und sein Glied – das sich in der ganzen Jesreelebene eines ausgezeichneten Rufs erfreute – wurde täglich aufs Tiefste herabgewürdigt. Mal nannte sie es »Frühlingszwiebel«, mal »verwachsene Zucchini«, zuweilen bezeichnete sie es als »Brutstätte für Läuse«, und eines Tages verkündete sie, dieses Gammelfleisch sei nicht zum menschlichen Verzehr geeignet. Bald liefen Menschen zusammen, um Sonia Seev Feinberg beschimpfen zu hören. Sie tat es ebenso hingebungsvoll, wie sie seiner Rückkehr harrte.
    Die Dorfburschen schwärmten für sie. Nicht, weil sie schön gewesen wäre. Ihre Augen

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