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Eine naechtliche Begegnung

Eine naechtliche Begegnung

Titel: Eine naechtliche Begegnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meredith Duran
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um die Pistole lockerte. »Wann?«
    »Vor acht Monaten«, sagte er.
    Acht Monate.
Ihre Lungen sogen so heftig die Luft ein, dass es Nell beunruhigte. Es fühlte sich beinahe an wie ein Schluchzen. Es hatte also nie eine Hoffnung gegeben. Sie war sogar zu spät, um sich zu rächen.
    »Wie ich sehe, ist das eine schlechte Nachricht für Sie.«
    Die Bemerkung des Mannes machte ihren Kopf wieder klar. Es war keine schlechte Nachricht, dass der alte Rushden tot war, das bedeutete nur, dass sie jetzt umsonst an den Galgen kommen würde. Weil sie einen Mann mit einer Pistole bedroht hatte, der überhaupt nichts mit ihr zu tun hatte. Es sei denn … »Sind Sie sein Sohn?«, fragte sie. Mum hatte nicht erwähnt, dass sie einen Bruder hatte. Vielleicht würde ein Bruder Anteil nehmen und ihr helfen.
    »Cousin dritten Grades«, sagte er.
    »Oh.« Das konnte man kaum Verwandtschaft nennen. Sie konnte nicht auf seine Hilfe hoffen.
    »Warum hassten Sie diesen Mann?«, fragte er.
    Nell kniff die Augen zusammen. »Was kümmert Sie das?«
    »Meine Liebe, Sie zielen mit einer Pistole auf mich. Mich kümmert alles, was Sie denken.«
    Die geschmeidige Antwort ließ ihre Instinkte aufhorchen. Er war viel zu glatt. Er musste irgendeine Vorstellung davon haben, was ihre Beweggründe waren.
    »Sie wirken … unschlüssig«, sagte er.
    Sieh einer an, wie scharfsinnig. Sie war bereit gewesen zu sterben, wenn sie dabei ihren Vater mit ins Grab nehmen konnte. Gerechtigkeit für ihre Mum: Das hätte sie gern erreicht. Aber sie war kaum erpicht darauf, sich zu opfern, um einen Fremden für seine merkwürdigen Kunstpausen zur Rechenschaft zu ziehen.
    Die Pistole wog schwer in ihrer Hand. Nell korrigierte den Griff und sah, dass er das bemerkte. In einer Minute würde er irgendetwas unternehmen. Zwar redete er träge wie ein Lord, die Muskeln kamen jedoch sicher nicht davon, dass er den ganzen Tag auf seinem Hintern saß.
    »Ich will nicht auf Sie schießen«, sagte sie. »Ich hatte zwar vor, jemanden zu töten, aber das sind nicht Sie. Trotzdem. Wenn Sie mir zu nahe kommen, denke ich vielleicht noch mal darüber nach.«
    »Ich will nicht erschossen werden«, sagte er. »Also werde ich Ihnen nicht zu nahe kommen.«
    Sie nickte einmal. »Was schlagen Sie also vor, wie können wir dieses kleine Rendezvous zu einem befriedigenden Abschluss bringen?«
    »Sie haben wirklich eine interessante Art, mit Worten umzugehen. Manchmal klingen Sie, als hätte man Sie in irgendeiner Bruchbude großgezogen. Und manchmal … Wo haben Sie dieses Vokabular gelernt?«
    »Geht Sie nichts an!«
    »Und plötzlich kommen Sie mir so bekannt vor.«
    »Das bilden Sie sich nur ein.«
    »Ich frage mich gerade, wie alt Sie sind, Nell.«
    Es gefiel ihr nicht, wie er ihren Namen aussprach. Da war ein Interesse in seiner Stimme, das sich viel zu persönlich anfühlte.
    »Lassen Sie mich raten«, sagte der Mann. »Etwa zweiundzwanzig?«
    Gut geraten. Oder vielleicht hatte über die Bastarde des alten Earls Buch geführt – obwohl sie sich nicht vorstellen konnte, aus welchem Grund.
    Insgesamt schien es ihr eher ein schlechtes Zeichen.
    »Wie ist Ihr voller Name?«
    »Verdammnis«, sagte sie ausdruckslos. »Außerdem habe ich nachgedacht und erschieße Sie vielleicht ohnehin. Je weniger Aubyns auf der Welt, desto besser für alle anderen.«
    »Das habe ich selbst oft gedacht.« Er schenkte ihr ein exzentrisches, zufriedenes Lächeln. »Wirklich, wir stimmen bemerkenswert überein.« Er machte eine Pause. »Ich habe mich nicht vorgestellt. Mein Name ist Simon. Nicht Aubyn, wie Sie sicher erfreut sind festzustellen. Simon St. Maur, zu Ihren Diensten.« Mit einer überschwänglichen Geste, bei der sie zusammenzuckte, deutete er eine Verbeugung an. Eine splitterfasernackte Verbeugung.
    Er hatte Muskeln an Stellen, von denen sie nicht einmal wusste, dass man sie beugen konnte.
    Nell räusperte sich. »Der geistesgestörte Verwandte, nehme ich an?«
    »Man hat mich tatsächlich öfters so bezeichnet. Aber lassen Sie mich raten«, er blickte ihr prüfend ins Gesicht. »Nell ist die Abkürzung von Cornelia.«
    Kein Grund gleich in Panik auszubrechen, sagte sie sich. Nell war für kaum etwas anderes die Abkürzung. »Falsch«, sagte sie. »Penelope.«
    »Sagen Sie, Nell«, seine Stimme klang nachdenklich, »wollten Sie wirklich Ihren eigenen Vater töten?«
    So ausgedrückt klang es in biblischer Weise böse. Böse genug, dass Nell für einen winzigen Augenblick unaufmerksam war, und mehr

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