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Eine naechtliche Begegnung

Eine naechtliche Begegnung

Titel: Eine naechtliche Begegnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meredith Duran
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organisiert hatte. »Um Ihre Identität zurückzufordern«, sagte er, »wäre es hilfreich, wenn Sie entsprechend aussähen. Das meinte ich.«
    Sie nickte. Das ergab Sinn. »Kommt heute noch jemand, für den ich entsprechend aussehen muss?«
    Er zögerte. »Nein. Das heißt – ich habe eine Modistin herbestellt. Sie wird Ihre Maße für ein paar Kleider nehmen, die etwas mehr
au courant
sind als das, was man bei Markham’s bekommt. Und es kommt eine Frau, die Daughtry empfohlen hat. Eine Lehrerin für Benehmen. Aber …« Anscheinend ging ihm die Luft genauso aus wie der Eifer, sie überzeugen zu wollen. »Niemand Wichtiges.«
    Mit einem sarkastischen kleinen Grinsen fragte sie sich, wen er wohl für wichtig hielt. Jedenfalls keinen der fünfundzwanzig oder mehr Personen in seinem Haushalt. Keinen, der eine wirkliche Fähigkeit oder einen Dienst anzubieten hatte. Und laut Definition gehörte sie auch dazu: Sie war für ihn nichts weiter als ein Haufen Geld. Sie sollte auf keinen Fall vergessen, dass seine Höflichkeiten leeres Geschwätz waren. Sein Charme war nur eine Geschäftsstrategie.
    »Ausgezeichnet«, sagte sie. »Lassen Sie mich wissen, wann diese Leute kommen.« Sie drehte sich auf dem Absatz um und machte sich auf den Weg durch die Halle.
    »Ach … wo gehen Sie hin?«
    Sie drehte sich um. Eine Hand lag auf seinem Kopf. Armer, hübscher Kerl. Er sah aus, als ob sie ihn aus der Fassung gebracht hätte. Sicher eine unangenehme Lage für ihn. Wahrscheinlich hatte er keine Ahnung, was er mit einem menschlichen Wesen machen sollte, das nicht dazu abgerichtet war, ihm zu gehorchen.
    »Ich gehe in Ihre Bibliothek«, sagte sie. Nell wusste ganz genau, was das Beste an diesem ganzen Arrangement war: Sie hatte Tausende von Büchern zu ihrer Verfügung. Und anders als er würde sie sie nicht für später aufbewahren. »Ich hoffe, das ist in Ordnung für Sie. Oder möchten Sie mir lieber etwas zu arbeiten geben?«
    Langsam ließ er die Hand sinken. »Nein«, sagte er. »Die Bibliothek ist gut.«

8
    Das bodenlange Überkleid aus blassblauer Wolle war mit gelben Borten besetzt, die breiten Aufschläge waren erst seit so kurzer Zeit in Mode, dass sie noch nicht bei den Pfandleihern aufgetaucht waren. Das Überkleid öffnete sich locker an der Vorderseite und gab den Blick auf ein kurzes Mieder aus rosaroter Seide und einen passenden Unterrock frei. Die breite blaue Schärpe um die Taille schimmerte wie Wasser. Bestimmt Satin.
    Als Nell ihr Spiegelbild betrachtete, begann sie zu grinsen. Sie sah aus wie auf einem Gemälde. Selbst der Hintergrund passte perfekt: Die späte Morgensonne fiel durch das hohe Fenster und schimmerte auf den Vorhängen aus Goldbrokat. Hinter der Glasscheibe wogte grünes Eichenlaub im Wind, dazwischen blitzte immer wieder blauer Himmel auf. Was für ein herrlicher Morgen.
Konzentrier dich auf die schönen Dinge
. Daran hatte sie sich immer gehalten. Sie würde jetzt nicht an Mum denken oder sich von irgendetwas betrüben lassen. Sie würde diesen Moment genießen.
    »Ist vielleicht bisher das schönste«, sagte sie zu Polly. Neun andere Kleider lagen schon auf dem Sofa am Fußende des Bettes. Wahrscheinlich hatte sie das jedes Mal gesagt, aber: »Diesmal wirklich. Das ist das beste.«
    »Könnte schon sein.« Polly tauchte wieder im Spiegelbild auf. Sie hatte sich eine halbe Stunde lang an Nells Haar zu schaffen gemacht und setzte jetzt für die nächste Runde an.
    Nell schlug ihre Hände weg. »Ich sehe mich gerade im Spiegel an!« Sie drehte sich einmal und wandte den Kopf um, damit sie sich aus allen Winkeln sehen konnte. Langsam wurde ihr klar, warum St. Maur nicht viel von ihrem Aufzug gestern gehalten hatte.
    In Bethnal Green würde niemand sie so wiedererkennen. Nur reiche Mädchen konnten sich so blasse, empfindliche Farben leisten, ohne Angst vor dem Schmutz, den man darauf so leicht sah.
    »Das Blau steht mir«, sagte sie leise.
    »Oh ja, das tut es.«
    Pollys Zustimmung war nur Kriecherei und zählte nicht. Aber ihrer eigenen Meinung konnte Nell schließlich trauen. Das Überkleid hob das Blau ihrer Augen hervor. Das Rosa des Mieders wiederholte sich in den Wangen. Ihre Taille kam durch den vorteilhaften Schnitt sehr schön zur Geltung. Sie sah richtig hübsch aus. Sie, Nell Whitby!
    Der Teufel führt dich in Versuchung
, hörte sie Mum im Geiste fauchen.
    Und wenn schon. Da sie sich bereits in den Klauen des Teufels befand, hatte sie wohl das Recht auf ein oder zwei Versuchungen.

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