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Eine naechtliche Begegnung

Eine naechtliche Begegnung

Titel: Eine naechtliche Begegnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meredith Duran
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wenn ich Regen mag?«
    Die Tür öffnete sich und rettete sie vor Mrs Hemples Antwort. Ein Hausdiener trat ein, um eine sahnige Suppe zu servieren, die nach Pilzen und Göttlichkeit duftete. Aber er teilte so winzige Portionen aus, dass Nell fast bis auf den Boden des Tellers blicken konnte. »Ein bisschen«, sagte sie, und bevor sie »mehr« hinzufügen konnte, sah sie aus den Augenwinkeln, wie St. Maur den Kopf schüttelte.
    Sobald die Suppe ausgegeben war, schenkte ein weiterer Diener Sherry ein. Nachdem dieser den Raum verlassen hatte, ergriff Mrs Hemple das Wort. »Man fragt nicht nach mehr Suppe«, sagte sie, als Nell den Löffel hob. »Übrigens auch nicht nach mehr von etwas anderem, aber vor allem nicht nach Suppe. Ein voller Teller ist sehr ordinär.«
    Nell probierte und wusste, dass dies die dümmste Regel war, von der sie je gehört hatte. Die Suppe schmeckte himmlisch, nach fetter Sahne, ausgeklügelten, leckeren Gewürzen und den zartesten Pilzen, die auf Gottes Erde wuchsen. »Vielleicht«, sagte sie nach dem zweiten Löffel, »könnten wir doch nach mehr fragen, es ist ja nur eine Übung.«
    »Auf keinen Fall.«
    Nell sah zu St. Maur, aber der zuckte nur mit den Achseln und überließ es Mrs Hemple. Kluger Mann. Er verschwendete keine Zeit mit Worten, wenn eine solche Suppe vor ihm stand.
    Nell nahm noch einen Löffel.
    »Mylady! Stecken Sie den Löffel auf keinen Fall in den Mund!« Mrs Hemple sah schockiert aus. »Und man nippt seitlich am Löffel, nicht an der Spitze!«
    Diese sinnlosen Regeln hielt selbst das beste Essen der Welt nicht aus. »Der Löffel funktioniert ja wohl von beiden Seiten!«
    »Übung«, murmelte St. Maur. »Übung und Geduld. Mrs Hemple hat recht. Man trinkt Suppe von der breiten Seite des Löffels, Gott weiß warum.«
    Nell trank Suppe normalerweise direkt aus dem Teller. Diese Technik hatte den schönen Nebeneffekt, dass sie einem überdies noch die Hände wärmte.
    Aber St. Maurs unverwandter Blick gemahnte sie an ihr Ziel und dass sie es unbedingt erreichen wollte. Sie holte tief Luft und zwang sich, die seichte Pfütze der göttlichen Suppe anmutig auszulöffeln. Als sie geendet hatte, nahm sie einen großen Schluck Sherry.
    »Trinken Sie erst, wenn die Suppe abgeräumt wurde«, zischte Mrs Hemple.
    Nell stellte das Glas geräuschvoll ab. Was war das denn für ein Unsinn? »Warum wurde es denn gebracht, wenn man es nicht trinken darf?«
    »Es steckt keine Logik hinter diesen Regeln«, sagte St. Maur. »Wenn sie logisch wären, könnte sie jeder ableiten, und woher sollen wir dann wissen, wen wir auf unsere Gesellschaften einladen und wen wir meiden sollen?«
    Die Ironie in seiner Stimme beschwichtigte sie. Sie lehnte sich zurück und schielte in der Hoffnung zur Tür, dass der Diener bald erschien.
    St. Maur beugte sich vor. »Bei unserem nächsten Gespräch über das Wetter könnte ich das Thema Gewitter anschneiden – aber das tue ich nur, weil ich Sie mag.«
    Sie brachte ein schwaches Lächeln zustande.
    »Eure Lordschaft«, sagte Mrs Hemple gekränkt, gerade als die Tür sich wieder öffnete.
    Sofort hob Nell das Glas. Als die Lehrerin sie mit gerunzelter Stirn ansah, sagte sie: »Der Gang wird jetzt abgeräumt!«
    »Nur ein Schlückchen«, sagte Mrs Hemple. »Zu jedem Gang wird ein neues Glas serviert, und Sie wünschen sicher nicht, beschwipst zu sein.«
    Guter Gott. Nell konnte sich kaum einen besseren Zustand vorstellen, um dieses Dinner zu überstehen. Aber sie nahm sich mit aller Kraft zusammen, lächelte und stellte das Glas nach einem einzigen, aber sehr großen Schlückchen wieder auf dem Tisch ab.
    Danach kam der Fischgang. »Die Gabel«, sagte Mrs Hemple belehrend, als Nell den Fisch gerade mit dem Messer entgräten wollte. »Wenn es irgendeinen Zweifel gibt, ja, wann immer es möglich ist, nimmt man eine Gabel. Der Löffel ist etwas ordinär und das Messer ist es ganz unbedingt.«
    Warum zum Teufel lag es dann auf dem Tisch? Mit knirschenden Zähnen ergriff Nell die Gabel und fing an, die Gräten damit herauszupicken. Eine sprang von der Gabel und flog davon. Weder St. Maur noch die Hemple schienen es bemerkt zu haben – wobei es in St. Maurs Mundwinkeln verdächtig zuckte, als sie sich noch einmal vergewissern wollte.
    Der Fleischgang – kleine Scheiben, in buttriger Sherrysauce geschmort – stellte ihre gute Laune wieder her. Mein Gott, wenn sie jeden Abend so essen könnte, würde sie alles tun und sagen, was man von ihr verlangte. Löffel waren

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