Eine naechtliche Begegnung
bitten können, woraufhin sie ihre Zustimmung formulieren müsste. So wird es gemacht, wissen Sie.«
Nell sah St. Maur wieder in die Augen. »Oh ja«, sagte er. »Ich weiß.« Er lächelte Nell kurz an und ließ sie los. Nach einem präzisen Schritt rückwärts deutete er eine geschmeidige Verbeugung an. »Mylady«, sagte er. »Darf ich um das Vergnügen bitten?«
Er befolgte lediglich das Textbuch, aber die satte Betonung, die er auf ein einziges Wort –
Vergnügen
– legte, schaltete Nells Verstand für einen Augenblick aus. Was für ein gefährliches Lächeln.
»Mylady«, ermunterte Mrs Hemple sie.
Nell blinzelte. »Unbedingt«, sagte sie und nahm St. Maurs Arm.
Der Tisch sah aus wie ein Miniaturgewächshaus, es gab so viele Schalen mit Blumen und Farnen, dass sie kaum an das Weinglas kam, ohne in Blätter zu greifen. Kleine, mit bunten Schirmchen versehene Lampen standen in regelmäßigen Abständen auf dem Tisch und tauchten das schneeweiße Tischtuch in ein rosiges Glühen. Das heutige formale Dinner war eine Übung, um sie auf ihr gesellschaftliches Debüt vorzubereiten. Nell hatte nicht geglaubt, dass das nötig wäre, bis sie die Gedecke gesehen hatte: sieben unterschiedliche Bestecke auf jeder Seite des Tellers.
»Sie haben Ihre Austern nicht angerührt«, bemerkte St. Maur. Er saß am Kopfende des Tisches, Nell zu seiner Rechten und Hemple links von ihm.
»Sie sind roh«, sagt sie. Jeder wusste, dass Austern am besten schmeckten – und am sichersten waren –, wenn man sie knusprig frittierte.
»Nun, das ist durchaus Absicht!«, sagte er.
»Ordinär«, sang Mrs Hemple. »Es steht Ihnen nicht zu, sich über das Menü Ihres Gastgebers zu äußern. Jetzt nehmen Sie eine Auster. Sobald man einen Gang akzeptiert hat, muss man wenigstens drei Bissen davon essen, sonst sieht es aus wie Kritik.«
Nell starrte auf die zitternden Klumpen auf ihrem Teller. Auf keinen Fall wollte sie die ganze Nacht über einer Schüssel hängen. Sie wappnete sich mit einem Schluck Wein, weiß und süß, und dann noch einem – und murmelte ein stilles Dankesgebet, als der Hausdiener kam und ihren Teller abräumte.
»Gerettet«, sagte St. Maur so leise, dass Mrs Hemple es nicht hören konnte.
»Frittieren Sie sie«, murmelte Nell. »Bitte.«
Mrs Hemple klatschte in die Hände. »Ein wenig leichte Konversation? Großartig. Seine Lordschaft und ich werden Ihnen den geziemenden Inhalt und Charakter eines Gesprächs demonstrieren.« Sie räusperte sich und richtete sich an St. Maur. »Mylord, gehen Sie gern ins Theater?«
St. Maur zwinkerte Nell zu, bevor er sich Hemple zuwandte. »Oh ja, ich gehe regelmäßig. Und Sie?«
»Ich halte mich sogar für theaterbegeistert«, sagte Mrs Hemple mit einem mädchenhaften Augenaufschlag. »Und vor Kurzem habe ich Mr Pineros neuestes Stück gesehen. Kennen Sie es? Es heißt
Sweet Lavender
.«
»Oh, tatsächlich«, gab St. Maur zurück. »Ein geistreiches Stück. Wer könnte je diese unvergessliche Zeile vergessen: ›Solange es noch Tee gibt, gibt es Hoffnung‹?«
Erwartungsvoll drehte Mrs Hemple sich zu ihr um. »Sie sehen, wie es funktioniert.«
Nell rollte die Lippen nach innen. »Oh ja«, sagte sie. »Ich bin ganz hin und weg.«
St. Maur prustete.
»Passen Sie auf, dass Sie nicht frech wirken«, sagte Mrs Hemple scharf. »Und bitte achten Sie auf Ihre Aussprache! Wenn Sie jetzt bitte ein Gespräch mit Seiner Lordschaft versuchen.«
Nell nickte und wandte sich St. Maur zu. Ein Lächeln umspielte seine Lippen. »Lieben Sie das Theater?«, fragte sie.
»Doch nicht das Theater!«, rief Mrs Hemple aus. »Sie sollten nie eine Frage stellen, die Ihren … Mangel an Erfahrung bloßstellen könnte. Vermeiden Sie Gespräche über das Theater, bis Sie eines besucht haben. Das Wetter, Mylady, ist immer eine kluge Wahl. Oder … lassen Sie mich überlegen …«
»Literatur«, sagte St. Maur. »Lady Cornelia spricht wunderbar über Shakespeare.« Er prostete ihr zu.
Ein angenehmes Gefühl durchflutete sie – noch intensiviert durch Mrs Hemples offensichtliche Überraschung. Sie lächelte der alten Dame zu und sagte zu St. Maur: »Kennen Sie das Buch …«
»Ich würde Literatur nicht empfehlen«, warf Mrs Hemple ein. »Heutzutage wird jeder mögliche Unsinn gedruckt.«
»Dann also das Wetter«, presste Nell zwischen den Zähnen hervor. »Wir hatten herrliches Wetter heute, meinen Sie nicht?«
»Es hat geregnet«, sagte Mrs Hemple.
Unwillkürlich sah Nell sie böse an. »Und
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