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Eine private Affaere

Eine private Affaere

Titel: Eine private Affaere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Burdett
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unterschiedlichen Hotels untergebracht waren, verabschiedeten wir uns am Taxistand. Vincent Purves drehte sich im letzten Augenblick noch mit einer zweideutigen, aber dennoch aussagekräftigen Geste zu mir um, einer Mischung aus Händeschütteln und Winken. George setzte sich einfach nur ins Taxi und starrte geradeaus, als sei ich gar nicht da. Jetzt liegt’s bei dir, schien sein Hinterkopf zu sagen.
    Es ist merkwürdig, wie fremd manche Teile Englands wirken können. Der Yorkshire-Akzent erschien mir verstockt; die Gegend hatte etwas Verkümmertes, Dunkles. Ich hatte das Gefühl, daß etwas schrecklich schiefgehen würde – und ich hatte keine Möglichkeit, mich selbst zu schützen. Ich dachte die ganze Zeit an Daisy.
    Beaufort war bereits im Hotel und ein bißchen beschwipst, als ich dort ankam. Wir hatten beide Suiten, trafen uns aber in der seinen zum Arbeiten. Auf allen erreichbaren Oberflächen lagen Akten, juristische Fachliteratur und Dokumente. Im Schlafzimmer roch es nach dem verfallenden Ego eines alten Junggesellen.
    Der innere Zerfallsprozeß Beauforts war fast greifbar. Der Mann, der früher auch im betrunkenen Zustand nie einen Satz unvollständig gelassen oder die Syntax verdreht hatte, wurde zusehends unfähiger, sich zu konzentrieren. Er vergaß ziemlich oft, was er sagte, und wartete, bis ich ihm taktvoll auf die Sprünge half. Ich hatte keine sonderlich enge Beziehung zu Beaufort, aber sein Verfall deprimierte mich. In Betrugsfällen geht es um viele Einzelfakten, die normalerweise in Dutzenden von Aktenordnern gesammelt werden. Beaufort besaß die Fähigkeit, mit diesem Wust an Informationen fertigzuwerden. Er hatte nicht nur ein fotografisches Gedächtnis, sondern war auch in der Lage, sein Wissen vor Gericht zu aggressiven Kreuzverhörsfragen zu verarbeiten und eine glänzende Vorstellung zu bieten. Ich hatte weder sein Gedächtnis noch sein Raffinement, aber wenn er sich nicht am Riemen riß, würde ich den Fall allein übernehmen müssen.
    Immer wieder wandte er sich hilfesuchend an mich.
    »Ich werde allmählich zu alt für dieses Spielchen, James.«
    »Sie schaffen das schon.«
    »James, es könnte sein, daß Sie uns am Montag vertreten müssen. Ich fühle mich der Sache nicht gewachsen.«
    »Am ersten Tag? Aber Sie sind doch der Leader.«
    »Sie werden nicht viel tun müssen, James. Der alte Thomas wird ein bißchen die Zähne zeigen – aber Sie wissen ja mittlerweile, wie Sie ihm beikommen können. Ich fühle mich sicherer, wenn die Sache läuft.«
    Das war Erpressung. Barristers überlassen ein Verfahren genausowenig sich selbst wie Ärzte ihre sterbenden Patienten einfach im Stich lassen. Wenn er zusammenbrach, würde ich übernehmen müssen. Die andere Alternative – unseren Mandanten sich selbst zu überlassen – kam nicht in Frage.
    Am Sonntagmorgen vor der Verfahrenseröffnung kam ich in sein Zimmer. Er saß halb bekleidet auf einem Stuhl, und die Tränen rollten ihm über die Wangen. Er sah mich mit flehendem Blick an. »Ich kann nicht mehr«, sagte er. »Ich bin zu alt für einen Neuanfang.« Ich hatte vierundzwanzig Stunden, um den Fall zu übernehmen.
    Am selben Tag brachte sich Daisys Mutter um.
     
    Das Telefon klingelte mitten in der Nacht und schreckte mich aus dem Schlaf hoch, den ich nach einem anstrengenden Tag mit Beauforts Unterlagen und Randnotizen endlich gefunden hatte. Zuerst dachte ich, es sei ein obszöner Anruf, weil sich das Geräusch, das aus dem Hörer kam, so merkwürdig anhörte. Dieses Geräusch wiederholte sich ein paarmal, und fast hätte ich aufgelegt, wenn ich darin nicht doch etwas Vertrautes erkannt hätte. Beim dritten oder vierten Mal erst merkte ich, daß es sich um ein Schluchzen handelte. »Mein Gott, Jimmy!«
    Ich war sofort hellwach. Die Möglichkeit, daß Daisy etwas passiert sein könnte, löste eine ganze Flut heftiger Gefühle aus.
    »Sie ist … mein Gott – mein Gott!«
    »Was?«
    »Mommy. Jimmy, sie war die einzige, die einzige.«
    »Was?«
    »Die einzige, die mich wirklich geliebt hat.«
    »Ist sie tot?«
    »Sie … mein Gott, sie hat sich umgebracht. Ich bin im Krankenhaus, Jimmy, es ist alles so schrecklich wirklich. Du mußt kommen, sofort, ich kann nicht warten. Sonst werde ich verrückt. Du mußt kommen, Jimmy.«
    »Hör zu, Schatz, Daisy …«
    »Nein, Jimmy, das ist es ja, ich kann nicht zuhören, ich kann nicht mal denken. Ich hab’ noch nie so was erlebt … wie hat sie mir das bloß antun können? Ich bin verzweifelt,

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