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Eine private Affaere

Eine private Affaere

Titel: Eine private Affaere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Burdett
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den Wänden ab.
    »Jimmy, ich hab’ mir solche Sorgen gemacht. Ich wollte den Notarzt rufen, aber die anderen haben mich dran gehindert. Sie haben gesagt, das ruiniert deine Karriere – aber die hatten bloß Angst um ihre eigene Haut. Dieses Bullenschwein hat die Sache unheimlich komisch gefunden. Dann haben sie alle Schiß gekriegt und sind abgehauen. Sogar Oliver ist weg. Mein Gott, Baby! Ich hab’ solche Schuldgefühle gehabt, daß ich sogar für dich gebetet hab’. Bitte sag mir, daß du nicht mehr wütend auf mich bist. Ich hab’ noch nie jemanden gesehen, der so wie du auf Drogen reagiert hat.«
    »Was ist passiert?«
    »Du hast gebrüllt und mit Leuten geredet, die’s gar nicht gab, und alle haben zugeschaut, und dann bist du über den Boden gekrochen wie ein Baby. Danach hast du gekotzt. Es war schrecklich. Mein Gott, Jimmy, ich hätte dich nicht allein lassen dürfen – kannst du mir das je verzeihen? Bitte, sag mir, daß alles in Ordnung ist.«
    Ich streckte die Hände aus und hielt sie so lange fest, bis es unbequem für sie wurde und sie sich strecken mußte.
    Als wir den Saal verließen, fiel mir ein, daß ich schon in ein paar Stunden mit dem Zug nach Sheffield fahren mußte.

[30]
    Ich erkannte George Holmes sofort vom Zugfenster aus, als er forschen Schrittes den Bahnsteig entlangging, doch seinen Begleiter Vincent Purves sah ich zum erstenmal. George trug eine weite, braune Hose und bequeme Treter. Die Pfeife, die er zwischen den Zähnen hatte, ließ ihn aussehen, als grinse er alle drohend an.
    Seit dem Crook-Street-Verfahren hatte ich eine Menge über ihn herausgefunden. Abgesehen von seinem Kleidergeschmack gehörte er zu den Polizisten, die im Kommen waren. Ein nachsichtiges Lächeln bei jungen oder weiblichen Gesetzesbrechern, eine väterliche Warnung, ein Gutenachtgruß, der gemächliche Trott nach Hause, das war nichts für ihn. Kleinere Vergehen schienen ihm überhaupt nicht aufzufallen; er hatte es ausschließlich auf Schwerverbrecher abgesehen. Diejenigen unter uns, die sie verteidigen mußten, fühlten sich nicht sonderlich wohl in seiner Gesellschaft, denn George war ein Mann mit einer Mission.
    »Irgend jemand muß ja schließlich in der Stadt aufräumen«, hörte ich ihn einmal vor Gericht sagen. Barristers, die mit ihm zusammenarbeiteten, bescheinigten ihm erstaunliche Energie, ein scharfes Auge für Details und eine Abneigung, sich um seine eigenen Angelegenheiten zu kümmern. Er erklärte den jüngeren Anwälten, wie sie Kreuzverhöre zu führen hatten, und erwarb sich einen Ruf als einer der geschicktesten Vernehmungsbeamten der Metropolitan Police – seine konservative englische Kleidung kaschierte nur seinen grimmigen Ehrgeiz. Es war der Ehrgeiz, der ihn dazu brachte, sich im Zug nach Sheffield ins gleiche Abteil wie ich zu setzen, obwohl er es wie einen Zufall aussehen ließ. Vincent Purves verließ uns schon sehr bald, um einen Becher Tee zu holen, und kam erst wieder, als wir drei Stunden später in den Sheffielder Bahnhof einfuhren.
     
    »Ist der Platz hier noch frei?«
    Als er sich gesetzt hatte, fragte er mich mit gehobenen Augenbrauen, ob mich seine Pfeife störe. Er stocherte darin herum und zündete sie an.
    »Sie machen die Betrugssache in Sheffield, stimmt’s?«
    Ich nickte.
    »Wie üblich auf der falschen Seite?«
    Ich brachte ein schwaches Lächeln zuwege. Die Wirkung der Droge hatte inzwischen nachgelassen, nur hin und wieder erschreckte mich eine verstörende Rückblende. Aber wahrscheinlich sah ich gräßlich aus. Daisy – selbst mit eingefallenen Wangen, gezeichnet von Drogen und Alkohol – hatte mich nach Hause gebracht und gebadet wie ein Kind. Am schlimmsten für mich war meine totale Konzentrationsunfähigkeit. Meine Gedanken huschten herum wie die eines hyperaktiven Kindes; die intellektuelle Disziplin eines ganzen Lebens war dahin. Zum erstenmal in meinem Leben hatte ich die Fähigkeit zu denken verloren. George hätte sich gar keinen besseren Moment aussuchen können für die Unterredung.
    »Wie hat Ihnen die Party gestern abend gefallen?« murmelte er, so leise, daß ich ihn bitten mußte, die Frage zu wiederholen.
    Meine Paranoia stand mir wahrscheinlich ins Gesicht geschrieben. »Woher wissen Sie davon?«
    »Wir beobachten Mr. Oliver Thirst seit geraumer Zeit – und den korrupten Bullen, mit dem er befreundet ist. Finden Sie es nicht auch ein bißchen unklug, sich auf eine Beziehung mit einem Menschen wie Thirst einzulassen? Ein Mann in

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