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Eine private Affaere

Eine private Affaere

Titel: Eine private Affaere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Burdett
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müssen sich natürlich fragen, was gerade an Oliver Thirst so Besonderes sein soll. Warum sollen wir uns für ihn ein Bein ausreißen und nicht für jemand anders?«
    »Ich weiß, ich weiß, ein IQ von 140 und eine schreckliche Kindheit …«
    »Nein, nein, das ist es ja gerade. Ich habe folgendes nicht klargemacht: Sie haben mich gefragt, ob ich beweisen kann, daß er sich ändert. Nun, natürlich kann ich das nicht, aber ich habe eine Menge Zeit mit Gefangenen verbracht. Ich habe noch nie jemanden erlebt, der so entschlossen war rauszukommen und draußen zu bleiben.«
    »Reverend …«
    »Nein, bitte, ich glaube, ich weiß jetzt, wo ich die Sache falsch angepackt habe. Sie wollen keinesfalls eine persönliche Bindung, stimmt’s? Ein Gefängnisgeistlicher, der sich für einen Gefangenen direkt an Sie wendet, ohne einen Solicitor einzuschalten, das ist für Sie ein Verstoß gegen die Regeln, nicht wahr?«
    »Nun …«
    »Angenommen, Olivers Solicitors würden Sie förmlich bitten, die Berufung zu übernehmen, und unser kleines Gespräch von heute abend wäre vergessen, wäre das für Sie akzeptabel?«
    »Nun …« Ich versuchte nachzudenken. Es war gegen die Regeln, einen Freund vor Gericht zu vertreten, aber Thirst war kein Freund. Ich hatte ihn nur zweimal im Leben gesehen. Hogg spürte, daß er nahe daran war, mich zu überzeugen, und redete weiter.
    »Ich meine, es würde doch Ihrer Karriere nützen, nicht wahr, wenn Solicitors Sie bitten, eine Berufung zu übernehmen. Und es wäre doch seltsam, wenn Sie ablehnten, oder? Ich meine, unter den gegebenen Umständen.«
    Da hatte er nicht unrecht. Natürlich sahen wir Barristers auf die Solicitors herunter, aber wir waren, was unsere Arbeit anging, von ihnen abhängig. Wenn jemand mich persönlich darum bat, etwas Schwieriges und Herausforderndes wie eine Berufung zu übernehmen, steigerte das meinen Marktwert.
    »Möglicherweise …«
    »Dann machen Sie’s also?«
    »Wenn mir das Mandat formgerecht überbracht wird, überlege ich mir die Sache, immer vorausgesetzt, ich habe nichts Wichtigeres zu tun. Aber natürlich muß ich mir einen Leader suchen, ich kann das nicht allein machen.«
    »Wie Sie wollen«, sagte Hogg. »Ich sage es Oliver. Natürlich müssen wir Prozeßkostenhilfe beantragen.«
    »Natürlich.«

[14]
    Schon nach ein paar Tagen kam ein Clerk von einer Solicitor-Gruppe, für die ich noch nie gearbeitet hatte, mit dem Mandat für Thirsts Berufung. Ich war zu der Zeit gerade in den Chambers, und mein eigener Clerk rief mich in meinem Zimmer an.
    »Hier ist jemand von einer Gruppe, für die wir normalerweise nicht arbeiten, Sir, mit einer Berufung. Auf dem Mandat steht Ihr Name.«
    Ich ging den knarrenden alten Flur zum Zimmer des Clerks hinüber. Michael sah mich mit einem merkwürdigen Blick an.
    »Das ist Mr. Drew von Southall, Baines und Low.«
    Der Clerk des Solicitor trug weder Anzug noch Krawatte und war unrasiert. Sein Blick huschte hin und her.
    »Man hat mir gesagt, Sie würden das Mandat annehmen«, sagte er.
    »Unmöglich – Sie wissen doch sicher, daß das alles über meinen Clerk laufen muß?«
    »Ja – ja.« Er zwinkerte Michael zu, der wegschaute.
    Ich bat Michael, mit mir das Zimmer zu verlassen. »Was ist los?«
    »Es ist ziemlich merkwürdig, Sir – bisher haben wir Aufträge von dieser Gruppe immer abgelehnt.«
    »Warum?«
    »Sie hat einen schlechten Ruf, Sir. Der Clerk war schon mal im Gefängnis, und dem Seniorpartner wäre letztes Jahr fast die Lizenz entzogen worden – es wurde etwas von Betrug getuschelt. Manche Chambers nehmen überhaupt keine Aufträge mehr von ihnen an, aber bei Schwerverbrechern sind sie ziemlich beliebt.«
    »Soll ich das Mandat ablehnen?«
    »Das liegt bei Ihnen, Sir. Ich würde meinen, einmal kann man so etwas schon machen – für Sie wäre es nicht schlecht, wenn Sie einmal eine Berufung gemacht hätten. Das ist auf alle Fälle eine weitere Sprosse.«
    »Ich werde mir das Mandat mal anschauen. Holen Sie es für mich?«
    Michael brachte mir das dünne Bündel Papiere. Zwar wurde es vorschriftsgemäß von rotem Band zusammengehalten, aber die meisten Dokumente waren nicht einmal mit der Maschine getippt, sondern mit schwarzem Kugelschreiber in kindlicher Handschrift verfaßt und wimmelten von Rechtschreibfehlern. Da sie nicht in logischer Reihenfolge angeordnet waren, brauchte ich zehn Minuten, bevor ich wußte, was geschehen war. Thirst hatte für dreißig Pfund ein gestohlenes Scheckheft von seinem

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