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Eine private Affaere

Eine private Affaere

Titel: Eine private Affaere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Burdett
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nicht beide in einer Märchenwelt voller Schuldgefühle leben würdet, wäre euch das enorme Ausmaß dessen, was Thirst braucht, klar. Er muß nicht einen Monat früher aus dem Gefängnis, nein, man muß ihn von dreiundzwanzig Jahren Programmierung befreien. Man muß ihn davon überzeugen, daß alles, was er seit seiner Geburt gelernt hat, falsch ist, und eure hübsche, saubere Spielzeugwelt richtig. Versteht ihr denn nicht, daß er die Welt viel realistischer sieht als ihr? Genau das ist sein Problem. Er weiß, daß sie feindselig ist und verkommen und korrupt. Und ein Tröpfchen zuckersüße Freundlichkeit ändert auch nichts daran. Beweist mir erst mal, daß er seine Vergangenheit einfach ablegen kann – so, wie ich das gemacht habe. Könnt ihr das? Und wenn er das schafft, ist das Ergebnis dann wirklich ein Fortschritt?«
    »Warum hast du dich überhaupt mit ihm getroffen, wenn du das glaubst?« fragte Daisy.
    Ich wandte mich ihr zu. »Aus dem gleichen Grund, aus dem der Typ – wie hieß er gleich wieder? – sich noch einmal zum Hades umgedreht hat. Es ist die Faszination dessen, der’s geschafft hat; er muß sich einfach noch mal nach denen umschauen, die sich immer noch in der Grube krümmen.«
    An den restlichen Abend erinnere ich mich nur noch undeutlich. Hogg ließ uns kurz nach meiner Tirade allein, mit der Begründung, er sei nicht so klug wie ich, sondern nur ein bescheidener Geistlicher. Es tat ihm leid, daß er mich verärgert hatte.
    Daisy wollte noch ein Glas Bier, das sie ziemlich hastig trank, bevor sie mir erklärte, wie enttäuscht sie von mir sei. Die Unsicherheit veranlasse alle Männer dazu, ihre Seele für Macht und Einfluß zu verkaufen. Sie hatte gedacht, ich sei anders. Was war mit mir passiert? Machte ich mir denn keine Gedanken mehr? Ich hatte eine Chance, einem Mitmenschen zu helfen, und ich machte mir nur Gedanken darüber, was ein aufgeblasener alter Richter vielleicht sagen würde.
    Als sie das Glas ausgetrunken hatte, verglich sie mich mit ihrem Vater. Ich verwandelte mich in sein englisches Ebenbild. Wenn ich glaubte, sie würde sich den Rest ihres Lebens abrackern und katzbuckeln wie ihre Mutter, habe ich mich geirrt.
    »Du hast alles verdorben, Baby. Hoffentlich genügt dir deine verdammte Karriere. Für deinen Ehrgeiz und mich ist nämlich kein Platz.«
    Ich war durcheinander und betrunken und schrie zurück: »Schau dich doch an: Du hältst die Sache für einen Showdown. So werd doch um Himmels willen endlich erwachsen, du amerikanisches Greenhorn.«
    Es blieb ihr nichts anderes übrig, als den Pub türenknallend zu verlassen, und das tat sie auch. Ich leerte mein Bier langsam und folgte ihr, ohne die amüsierten Blicke der anderen Anwesenden zu beachten.
    Ungefähr hundert Meter vom Pub entfernt fand ich sie schluchzend an einen Laternenpfahl gelehnt. Ich legte den Arm um sie. Sie zog mich an sich heran und bedeckte mein Gesicht mit Tränen und Küssen.
    »Mein Gott, Jimmy, was passiert da bloß mit mir – mit uns? Liegt’s an mir? Ich möchte nicht, daß unsre Beziehung den Bach runtergeht.«
    Ich drückte sie fest an mich. Am liebsten hätte ich ihr gesagt, daß ich sie nicht nur wegen ihres Wissens, sondern auch wegen ihrer Schrullen liebte, aber heraus kam etwas ganz anderes.
    »Ich weiß nicht, Daisy. Jedesmal, wenn du von der Frauengruppe kommst, fängst du Streit an. Meinst du nicht, du solltest aufhören, da hinzugehen?«
    »Wenn du nicht mehr ins El Vino’s gehst.«
    Wir kehrten erschöpft nach Hause zurück. Ich bestand darauf, mit ihr zu schlafen. Sie gab sich mir gefügig, aber ohne Leidenschaft hin.
    »Übrigens hat sich dieser Typ nicht umgedreht, um noch einen letzten Blick auf die Leute in der Hölle zu werfen, sondern um sicherzugehen, daß dieser Frau – wie hieß sie doch gleich – nichts passiert. Allzuviel Wert haben die in deiner wunderbaren britischen Gesamtschule wohl nicht auf die Klassiker gelegt, was?« sagte sie, bevor sie sich von mir wegdrehte und offenbar sofort einschlief.
    Ich döste ebenfalls ein, wachte aber wieder auf, als mein Piepser losging. Das bedeutete, daß mich jemand über das Telefon im Flur erreichen wollte. Ich zog einen Pullover und Jeans an und stand zitternd da, als Hogg sich meldete.
    »Ich rufe an, um mich zu entschuldigen. Das war nicht besonders klug von mir. Ich hätte Ihnen das nicht so vor den Latz knallen sollen, vor Ihrer Freundin, ohne einen Gedanken an Ihre Karriere. Ich hab’ darüber nachgedacht: Sie

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