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Eine private Affaere

Eine private Affaere

Titel: Eine private Affaere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Burdett
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unverhoffte Geste der Zuneigung trieb Mrs. Hawkley die Tränen in die Augen.
    »Ich weiß nicht, Schatz – manchmal bin ich so einsam, daß ich am liebsten sterben würde.«
    »Wie kannst du einsam sein – du hast doch uns.«
    »Ich bin einsam, weil ich mich nach einem Mann sehne, Daisy, kannst du das denn nicht verstehen?«
     
    Nach solchen Besuchen bei ihrer Mutter war Daisy immer voller Sorge um das spirituelle Wohl ihrer Mutter. Sie war der festen Überzeugung, daß ihre Mutter gerettet werden könnte, wenn sie nur Daisys Sicht der Welt übernähme.
    »Meinst du, sie versteht, was ich ihr sage?« fragte sie mich dann.

[20]
    Er trat durch einen jener Zufälle wieder in unser Leben, die bei näherem Hinsehen eigentlich durch einen unbewußten Willensakt herbeigeführt werden.
    Der Rückweg durch Kenwood war so etwas wie ein Ritual. Er führte durch einen Rhododendronhain, vorbei an der Abzweigung zu Dr. Johnson’s Summer House, vor das große Herrenhaus, den sorgfältig angelegten Hügel hinunter zu dem malerischen Teich, in den dichten kleinen Stechpalmen- und Eichenwald, hinaus auf Hampstead Heath und schließlich über Roslyn Hill.
    Wenn ich meine Erinnerungen Revue passieren lasse, habe ich den Eindruck, daß nicht nur dieser Weg, sondern auch wir selbst uns in einem Schwebezustand befanden, zwei Liebende mit verbundenen Augen, die bewegungslos dastehen, während die Szenerie (der Rhododendronhain, blühend oder verwelkend, der malerische Teich mit Lilien oder ohne, die Bäume belaubt oder kahl) an uns vorbeirollte.
    Die spätere Betrachtung kann Bewußtseinszustände, die seinerzeit ziemlich verwirrend gewesen waren, auf magische Weise verdeutlichen: Obwohl wir es nicht wußten, warteten wir auf ihn.
    Dann begegneten wir eines Tages im Spätfrühling des Jahres 1977 Eleanor Merril-Price, die mit hohen Lederstiefeln und einem weiten Pullover vor dem Herrenhaus stand, als gehöre es ihr. Während wir uns ihr näherten, betrachtete sie uns mit geistesabwesendem Gesichtsausdruck.
    »Wie merkwürdig! Wissen Sie, daß Sie beinahe Oliver getroffen hätten? Er ist mit mir spazierengegangen, und dann haben wir zusammen Mittag gegessen. Jetzt ist er wieder heim zum Lernen. Wir haben über Sie beide gesprochen, über die schöne Daisy und ihren rätselhaften schwarzen Ritter.«
    »Seine schwarzen Mandanten nennen ihn den weißen Ritter«, sagte Daisy und lächelte sie anmutig an wie eine Blume.
    »Ich wußte, daß Sie gar nicht so weit weg von uns in Hampstead wohnen«, sagte Eleanor. »Ich wollte James Hogg immer mal um Ihre Adresse bitten.«
    Sie gesellte sich zu uns.
    »Haben Sie gesagt, Thirst lernt?« fragte ich.
    »James nennt Oliver immer ›Thirst‹«, sagte Daisy.
    »Ja – ist Ihnen damals im Pfarrhaus nicht aufgefallen, daß sein Wortschatz sich ein bißchen vergrößert hat? Er ist ein Geheimniskrämer. Er hat uns auch erst hinterher gesagt, daß er in Wormwood Scrubs die mittlere Reife nachgemacht hat. Er hat alle sechs Fächer bestanden und in Mathe und Sozialkunde sogar eine Eins bekommen. Jetzt paukt er fürs Abitur. Er nimmt das schrecklich ernst, vielleicht sogar zu ernst. Er lebt wie ein Mönch in einem kleinen Zimmer in Camden Town. Ich glaube, ich bin die einzige, mit der er sich trifft. Wir gehen jeden Sonntag immer um die gleiche Zeit spazieren. Er ist jetzt sehr diszipliniert.«
    »Mittlere Reife und Abitur?« fragte Daisy. »Der Kerl traut sich was! Er muß sich vorkommen wie ein Vierundzwanzigjähriger in der High-School. Will er danach studieren?«
    »Er würde das zwar nicht zugeben, aber ich glaube schon.«
    »Trifft er sich noch mit Hogg?« fragte ich.
    »Leider nicht mehr.« Sie schwieg eine Weile. »Nun, Sie können sich beide denken, warum. James Hogg hat zu viele Gefühle in Oliver investiert, und Oliver war der Meinung, daß er schon genug Probleme hat. Ich fürchte, James Hogg hat die Sache ziemlich schlecht verkraftet; er hat so eine Art Nervenzusammenbruch gehabt. Er gehört zu den Typen, die immer irgendeine Glaubenskrise haben. Vielleicht ist die ganze Geschichte gar nicht so schlecht für ihn, schließlich müssen auch Pfarrer irgendwann mal erwachsen werden.«
    »Thirst hat ihn fallenlassen«, sagte ich, »sobald er die Bewährung hinter sich hatte.«
    Eleanor sah mich mit scharfem Blick an. »Tja, es ist tatsächlich ziemlich bald nach Ablauf seiner Bewährungsfrist passiert. Tom hat das gleiche gesagt. Aber wissen Sie, er meint’s wirklich ernst, die Sache mit der

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