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Eine private Affaere

Eine private Affaere

Titel: Eine private Affaere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Burdett
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Zigarette im Mund auf die Aschenberge zeigte, die sich bereits auf ihrem alten roten Pullover häuften, lächelte beschwipst bei der Erinnerung an die glühende Leidenschaft ihrer Jugend.
    »Ich glaub’ schon, Schatz. Ist schon eine Weile her, daß ich die meine gesehen hab’. Ich glaub’, die macht jetzt Winterschlaf.«
    Der Schreck darüber, daß sie einen Witz gemacht hatte (ich brach in erstauntes Lachen aus; Daisy verzog das Gesicht), brachte sie zum Husten. Ihr teeriger Auswurf bahnte sich rasselnd einen Weg nach oben wie ein alter Bus, der einen Hügel hinaufkeucht. Ihr verlebtes Gesicht, das Arzneimittel, Rotwein und Nikotin im Verlauf der Jahre neu geformt hatten, verkrampfte sich bei ihrem verzweifelten Versuch, Luft zu bekommen. Daisy legte ihren schönen, jungen Arm um sie und tätschelte ihren Rücken.
    »Ist sie nicht phantastisch? Die beste Mutter der Welt. Sind Frauen nicht toll, daß sie alles überleben, immer weitermachen?«
    »Die macht jetzt Winterschlaf.« Mrs. Hawkley wiederholte ihren Scherz, als sie aus ihrem Kampf gegen die Ungeheuer der Tiefe auftauchte, und zwinkerte mir zu, was Daisy immer wütend machte. (»Für sie sind Männer immer noch Autoritäten.«)
    »Sie ist eine richtige Mutter Courage. Man muß ganz schön Mumm haben, wenn man siebzehn Jahre mit einem Psychopathen übersteht.«
    »Sprich nicht so über deinen Vater.« Mrs. Hawkley wandte sich mir zu. »Ihr Vater war ein guter Mann, einfach brillant. Es war meine Schuld, daß alles schiefgegangen ist. Ich habe ihn getäuscht.« Sie beugte sich vor und fuhr in verschwörerischem Tonfall fort: »Ich hab’ gewußt, wie man die Lady mimt. Und weil er Amerikaner war, hat er nicht begriffen, daß ich bloß ein ganz gewöhnliches englisches Mädchen war. Erst, nachdem wir verheiratet waren. Ich war jung und dumm und wollte eigentlich bloß nach Amerika. Ich hätte alles gegeben, um hinzukommen. So war meine Generation damals: Amerika war die Antwort auf alle Probleme, das gelobte Land. Wir haben uns Hals über Kopf ineinander verliebt. Mich hat’s gewundert, daß er überhaupt so lang bei mir geblieben ist. Schließlich war ich für seine Karriere nutzlos. Ich stell’ mich furchtbar an bei Abendeinladungen. Er hätte was Besseres als mich verdient.« Sie zog intensiv an ihrer Zigarette. »Daisy sieht immer alles andersherum. Ich bin nicht stark, ich bin schwach. Das sieht doch jeder.«
    »Nein, nein, das ist nur die männliche Programmierung.« Daisys Gesicht wurde hart. »Die sorgen dafür, daß du so was denkst. Genau das haben sie mit uns gemacht – sie haben uns kolonisiert. «
    »Ach ja? Und dabei haben wir die ganze Zeit gedacht, wir kolonisieren sie , nehmen sie an die Kandare. Das hab’ ich jedenfalls gedacht, als dein Vater mir auf Knien einen Heiratsantrag gemacht hat. Aber ich war einfach nicht gut genug, das weiß ich.«
    »Nein, nein, du täuschst dich …« Daisy rang die Hände.
    »Aber ich glaub’ nicht, daß wir so geil waren wie du, Schatz – das ist doch das richtige Wort, oder? Ich glaube, wir haben nicht so viel Fleisch gegessen. Unsere Phantasien waren auch anders. Damals hat’s noch keine Marsmenschen gegeben. Wir haben Bälle besucht und romantische Spaziergänge an malerischen Seen gemacht, und wir hätten uns nicht träumen lassen, daß ein Gentleman über unsere Geschlechtsorgane reden könnte, nicht mal nach der Hochzeit. Wir hätten das nie Emanzipation oder Befreiung genannt. Für uns war ›Befreiung‹ das, was Mahatma Gandhi für Indien wollte.«
    »Genau«, sagte Daisy. »Das ist das gleiche.«
    Mrs. Hawkley wirkte verwirrt. »In der Therapie reden alle wie Daisy. Die sagen mir, ich soll endlich rauskommen, mich freimachen. Wahrscheinlich meinen sie den Sex damit, aber ich denke eigentlich nur an Sex, wenn ich betrunken bin, also erzähle ich denen ein paar von deinen Geschichten. Samantha, das ist meine Therapeutin, hat sich sehr darüber gefreut. Sie hat gesagt, jetzt komme ich endlich näher an mich selbst heran. Die Geschichte mit dem Marsmenschen im Raumanzug hat allen gefallen. Sie sagen, ich soll sie aufschreiben und an die BBC verkaufen. Sie sagen, ich könnte wirklich Talent haben.« Sie schnaubte verächtlich und hustete. »Also erzählt mir noch ein paar Geschichten, sonst glauben die, ich habe einen Rückfall.«
    Daisy schüttelte den Kopf.
    »Was mach’ ich bloß mit dir?«
    Sie legte ihrer Mutter die Hände auf die Schulter und drückte ihre Stirn gegen die ihre. Diese

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