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Eine private Affaere

Eine private Affaere

Titel: Eine private Affaere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Burdett
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hast du die Antwort. Er hat eben keinen Mumm.«
    »Aber das ist doch bloß euer Arbeiter-Machismo.«
    »So ganz stimmt das nicht. Beaufort hat ’ne Menge Mumm, aber er kommt nicht aus der Arbeiterschicht. Ich wette, Beaufort, unserem guten Queen’s Counsel, hätte die Spritztour auch gefallen.«
    Sie drehte sich zu mir und zog sich embryonal zusammen – ein verläßliches Zeichen dafür, daß sie in eine andere Rolle schlüpfte.
    »Also hat Hogg deiner Meinung nach keinen Mumm?«
    »Genau.«
    »Aber du bist ein ganzer Mann?«
    »Es sei denn, du spielst da grade mit was anderem.«
    »Fühlt sich nicht so an, Großer. Wollen wir ein bißchen obszön werden? Das Marihuana macht mich so richtig schön geil.«
     
[19]
    Thirst sank auf den Grund meines Gedächtnisses wie ein Ziegelstein in einem Teich. Auch Daisy erwähnte ihn und das Wochenende im Pfarrhaus ziemlich lange nicht. Unangenehme Dinge verdrängte sie einfach, so wie jemand, der unerwünschte Akten in den Reißwolf stopft. Wir redeten weniger miteinander und verlegten uns auf eher freundschaftliche Aktivitäten, zum Beispiel aufs Spazierengehen.
    Daisy und ich waren nicht sonderlich sportlich, aber spazieren gingen wir gern. Zu unseren Lieblingszielen gehörte der Hampstead Garden Suburb, wo eine Gesellschaft für mittellose Damen für wenig Geld eine Wohnung an Daisys Mutter vermietet hatte.
    Unsere Besuche als Paar hatten etwas Ernstes, fast Rituelles an sich. Wir gingen immer über Hampstead Heath und durch Kenwood, über die Spaniards Lane, dann die Wildwood Road hinunter zum Suburb – das war ein hübscher Spaziergang durch das grüne London, gesund, voller Frische und falscher Unschuld (Alternative wie Daisy hatten damals eine besondere Vorliebe für ein Buch mit dem schönen Titel Das Geschlechtsleben der Pflanzen ).
    Wir sprachen oft darüber, daß wir in eine größere, unmöblierte Wohnung ziehen würden, sobald wir uns das leisten könnten.
    »Weißt du, was ich mir wünsche, Jimmy? Eine tiefblaue Zimmerdecke mit Wolken! Ist dir schon mal aufgefallen, daß alle Decken langweilig weiß sind? Die denken sich nämlich Männer aus, die nicht so oft auf dem Rücken liegen wie wir. Ich wette, es gibt eine Statistik, die beweist, daß Frauen die Zimmerdecke eineinhalbmal so oft anschauen müssen wir Männer. Hey, Jimmy, schau mal, Narzissen!«
    Ich starrte die halb unter Blättern verborgenen gelben Blütenkelche kurzsichtig an und zitierte aus einem Gedicht, das mein Vater immer gern von meiner Mutter gehört hatte:
    Ein Morgenhauch weht,
    Der Liebesstern steht hoch am Himmel,
    Verblassend im Licht, das er liebt.
    Gebettet auf einem Narzissenhimmel.
    Daisy schlang die Arme um mich. Vielleicht war es der scharfe Wind, der ihr die Tränen in die Augen trieb.
    »Ich weiß, ich bin schwierig, Jimmy, aber ich liebe dich. Laß mich nie weg, egal, was passiert, ja?«
    Als wir einen Pfad hinaufgingen, der oben bei Kenwood herauskam, achtete ich nicht sonderlich auf die ersten Frühlingsboten, das muß ich zugeben. Für mich ist der Frühling immer ein innerer Impuls. Ich spürte vielmehr eine quälende Sehnsucht und die häufig wiederkehrende Vorahnung, daß ich sie verlieren würde. Allein dieser Gedanke hatte die entsetzliche Kraft, mir meine ganze Energie zu rauben. Mitunter hatte ich den Eindruck, sie lege es darauf an, mir alle Lebenskraft auszusaugen. Manchmal führte das dazu, daß ich mich von ihr trennen wollte.
    Beinahe automatisch setzten wir uns auf eine Bank unter einer Roßkastanie. Riesige, kerzenförmige Blüten an den Zweigen gaben dem Baum ein völlig anderes Aussehen. In einem bestimmten Licht konnte man meinen, er stehe in Flammen.
    »Ist es nicht merkwürdig, daß wir uns immer wieder hier hinsetzen, ohne daß wir es vorher ausmachen?«
    »Daisy, was hast du gerade eben gemeint mit ›Laß mich nicht weg‹?«
    »Mein Gott! Du wirst doch wohl keine trübsinnigen Gedanken da reininterpretieren, oder? Es ist ein schöner Tag, James, bitte verdirb ihn nicht.«
    »Aber du hast es gesagt. Klingt das vielleicht nicht trübsinnig? Als ob du gleich aufstehen und gehen wolltest.«
    »Nein.«
    »Was hast du dann damit gemeint?«
    Sie setzte sich kerzengerade hin, die Hände im Schoß. Mit ihrem langen, geblümten Rock und ihrem leichten Wollpullover sah sie fast aus wie eine englische Dorfschullehrerin. Dank ihrer britischen Mutter bearbeitete die Einwanderungsbehörde ihren Einbürgerungsantrag ohne allzu große Verzögerungen. Mit ihrem Akzent,

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