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Eine private Affaere

Eine private Affaere

Titel: Eine private Affaere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Burdett
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der nur noch hin und wieder ihre Herkunft verriet, hatte sie sich besser in ihr Umfeld eingefügt als die meisten Immigranten. Und in den letzten Monaten hatte sie tatsächlich angefangen, so etwas wie Interesse an ihren Schülern zu entwickeln. Sie unterrichtete Literatur an einer Berufsschule in einer Klasse mit Sechzehnjährigen. Sie liebte die überschäumende Energie der Jungen, die sie gern auf den Arm nahm, und war so etwas wie eine ältere Schwester für die Mädchen. Ihr Erfolg überraschte sie. Die Berufsschule hatte Probleme, und viele Lehrer, die als gut galten, überstanden diese Probleme nicht. Daisy hingegen, die neue Aufgaben stets in dem Glauben übernahm, daß man sie früher oder später sowieso vor die Tür setzen würde, höchstwahrscheinlich, weil sie so selten erschien wurde plötzlich geachtet und bewundert.
    Ich nahm ihre Hand und kniete halb neben ihr nieder.
    »Daisy, ich wünschte, der Gedanke daran würde mich nicht innerlich auffressen, aber ich kann nicht anders.«
    »Innerlich auffressen? Was für ein merkwürdiger Ausdruck. Klingt sehr dramatisch.«
    »Ich weiß einfach nicht, wie ich mit dir dran bin. Ich weiß nicht mehr, wer du bist.«
    »Fängst du wieder damit an? Niemand kennt einen anderen.«
    »Und du kannst damit leben?«
    »Hör zu, James, ich mache deinetwegen viele Zugeständnisse. Das mache ich für das, was wir hatten – und immer noch haben. Aber es ist unerträglich, wenn du die ganze Zeit in meiner Seele rumwühlst, bloß um dich zu beruhigen. Dann bekomme ich keine Luft mehr.«
    Ich drehte in meiner Tasche ein Taschentuch um den Zeigefinger, bis es weh tat. »Ich weiß nicht, wie deine Zugeständnisse aussehen. Du bist kein Opferlamm. Ich arbeite dreimal so hart wie du, zahle doppelt soviel Miete und mache immer noch die Hälfte des Haushalts. Wie sehen deine Opfer aus?«
    Sie wandte den Blick ab. »Du wirst nicht damit fertig, wenn ich dir das sage.«
    »Tu nicht so überheblich, sag’s mir.«
    Sie sagte etwas so leise, daß ich es nicht verstand.
    »Wie bitte?«
    »Polygamie. Frauen sind ihrer Natur nach polygam – lediglich Kindererziehung und männliche Paranoia haben uns fünftausend Jahre lang irgendwo im Hinterstübchen gehalten. Ich fürchte, die Revolution ist da – du kannst sie nicht aufhalten, James. Aber ich opfere dir mein polygames Wesen. Ich kastriere mich sozusagen für dich.«
    Ich erhob mich. Mir war flau im Magen. »Du bist selbstsüchtig«, sagte ich, mehr brachte ich nicht heraus.
    Sie preßte die Lippen zusammen. »Ich möchte jetzt gehen. Meine Mutter erwartet uns. Kommst du?«
     
    Ich mochte Mrs. Hawkley (sie hatte sich geweigert, ihren Namen nach der Scheidung zu ändern, obwohl Daisy sie dazu gedrängt hatte). Mich beruhigten die Besuche bei ihr. Sie konnte mich ebenfalls gut leiden, und sie ließ mich spüren, daß sie meinen guten Einfluß auf Daisy würdigte. Ich wußte, daß sie sich Sorgen um sie machte und diese Sorgen sich in letzter Zeit in dem Maße verstärkt hatten, wie Daisy sich vermehrt um sie kümmerte. Daisy stürzte sich auf ihre Mutter wie auf ein neues Projekt.
    Mrs. Hawkley war verstört gewesen über Daisys neue Vorliebe, von ihren sexuellen Phantasien zu erzählen, doch allmählich schien Mrs. Hawkley sie mit ihren eigenen zu verwechseln. Ich wußte zum Beispiel, daß Daisys Mutter an guten Abenden mit einem silbernen Raumanzug bekleidet auf einem pinkfarbenen Elefanten in den Schlaf ritt, während irgendwo in der Ferne Marsmenschen Belle-Époque-Kurtisanen vergewaltigten, die aussahen wie ihre Tochter.
    Ich glaube, sie war erleichtert darüber, daß ich mir keine falschen Vorstellungen über sie machte. Ich verbrachte beruflich zuviel Zeit mit der sogenannten »Unterschicht«, als daß ich die Zeichen an der Wand nicht wahrgenommen hätte. Bei jedem Besuch war wieder eine neue Delle in ihrem alten roten Mini. Die Tapete in ihrer Wohnung war voller Spritzer, die von ihren nächtlichen Kämpfen gegen Dämonen zeugten. An den Türklinken hingen überall Kleiderbügel mit Unterhosen und alten Pullovern. Das Schränkchen unter ihrer Spüle war voll mit leeren Rotweinflaschen. Als wir auf dem Sofa ihrer Mutter saßen und Rotwein aus dem Supermarkt tranken (Daisy rauchte einen Joint, ihre Mutter eine Zigarette), brachte Daisy das Gespräch wieder auf ihre gute alte Klitoris.
    »War deine in meinem Alter auch so, Mum – ich meine, wirklich? Bei mir ist sie wie ein kleines, heißes Tierchen.«
    Mrs. Hawkley, deren

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