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Eine private Affaere

Eine private Affaere

Titel: Eine private Affaere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Burdett
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Weiterbildung.«
    »Und Hogg?« fragte ich.
    Eleanor zuckte ein wenig zusammen. »Es hat eine Auseinandersetzung gegeben. Ich war zwar nicht dabei, aber ich habe es mir selbst zusammengereimt. War anscheinend alles andere als angenehm. Wahrscheinlich ist Ihnen aufgefallen, wie kräftig James Hogg ist. Eines Abends war er betrunken – sehr betrunken, wenn man Oliver glauben darf. Als Oliver ihn zurückgewiesen hat, ist er gewalttätig geworden. Ich glaube Oliver, wenn er sagt, er wollte einen Kampf vermeiden.«
    »Aber sie haben gekämpft?« fragte Daisy.
    Eleanor schwieg einen Augenblick. »Wahrscheinlich kann man auch gewisse Fertigkeiten in Schlägereien entwickeln, nicht wahr? Jedenfalls kann in diesem Fall niemand Oliver vorwerfen, er hätte einen Schwächeren verprügelt.« Eleanor biß sich auf die Lippe, dann grinste sie. »Sie haben gemeinsam Kleinholz aus dem Pfarrhaus gemacht. Praktisch alle Räume waren verwüstet.« Sie sah mich an und kicherte. »Interessanterweise war Hogg dabei der aktivere. Irgendwann hat Oliver ihn dann überwältigt, aber es scheint ziemlich knapp gewesen zu sein. Das gibt Oliver selbst zu.«
    »Irgendwelche schwerwiegenden Schäden?« fragte ich.
    »Sie meinen, abgesehen vom Pfarrhaus? Hoggs Nase und ein Arm waren gebrochen.«
    »Wow«, sagte Daisy.
    Wir gingen weiter.
    »Es hat ihnen Spaß gemacht, was?« sagte ich.
    Eleanor sah mich von der Seite an. »Komischerweise haben sich beide positiv über die Nacht geäußert.« Sie lachte. »Hogg meint, für ihn war es so etwas wie eine Katharsis, seine längst überfällige Initiation als Mann.«
    »Und Oliver?«
    »Er sagt, es war eine der besten Prügeleien, in die er je verwickelt war. Aber er will Hogg nicht mehr sehen. Man soll gehen, wenn’s am schönsten ist, meint er.«
    »Ist er sehr einsam?« fragte Daisy.
    »Ich glaube schon. Jedenfalls hat er ziemliche Komplexe, weil er nicht weiß, wie er sich benehmen muß – er kennt die Regeln nicht. Er macht total zu, wenn Tom mit dabei ist. Vielleicht wäre er bei euch beiden anders, ihr paßt altersmäßig besser zu ihm. Er braucht einfach ein paar neue Freunde. Er hat außer Chaz, mit dem er aufgewachsen ist, keine Freunde mehr aus der alten Zeit. Er braucht eine Familie. Würden Sie gern noch auf eine Tasse Tee mitkommen?«
    Sie wohnte in einem für Hampstead typischen Haus, das wir im Vorbeigehen immer bewundert hatten, exzentrisch und selbstbewußt, mit einem Buntglaswintergarten auf der Vorderseite voller Kakteen und Orchideen.
    »Hey, gehört das wirklich Ihnen?« fragte Daisy.
    »Ja. Gefällt’s Ihnen?«
    »Ob’s mir gefällt! Wissen Sie, daß wir immer hier stehenbleiben, wenn wir Spazierengehen, und uns vorstellen, daß es uns gehört?«
    Eleanor strahlte. »Wir haben jahrelang darauf gewartet, bis es auf den Markt kam. Tom hat mit allen Immobilienmaklern in Hampstead Kontakt aufgenommen und sogar mit den Eigentümern.«
    »Das hat sicher eine Million gekostet.«
    »Darüber reden wir nicht. Ich zeige es Ihnen. Ich bin gerade mit dem Renovieren fertig geworden.«
    Die Wände im Flur waren von oben bis unten mit Drucken aus dem achtzehnten Jahrhundert zugehängt – die meisten von Hogarth. In den anderen Räumen befanden sich alte Möbel, einige davon Chippendale, ein Cembalo, das sogar ich als unbezahlbar erkannte, eine ultramoderne Stereoanlage, ein Fernseher, der diskret in einen hochglanzpolierten Holzschrank integriert war, und ein paar persische Teppiche. Das hier war der englische Traum, vollkommener, als ich ihn je realisiert gesehen hatte: verhalten, altmodisch, unverschämt teuer, das materialisierte Understatement. In der Küche setzten wir uns an einen echten alten Farmtisch aus Eiche mit einer bunten florentinischen Obstschale in der Mitte.
    Eleanor schenkte uns Tee ein. »Das war ein interessantes Gespräch, das wir neulich bei Hogg beinahe geführt hätten.«
    »Bevor wir beschlossen, Ihren Wagen zu stehlen?«
    »Ja. Wir hatten damals angefangen, über Kriminelle und ihre Rehabilitation zu reden. Ich war enttäuscht, weil das Thema Sie nicht sonderlich zu interessieren schien.«
    »Es interessiert ihn auch nicht«, sagte Daisy. »Er glaubt nicht daran.«
    »Tatsächlich?«
    »Für ihn ist das Leben wie eine griechische Tragödie – Sie wissen schon, Ödipus und so. Die erbarmungslose, unversöhnliche Maschinerie des Schicksals, gegen die kein Mensch ankommt.«
    »Also gibt es keine Hoffnung für Oliver?«
    »Ich arbeite mit vier verschiedenen Gruppen«,

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