Eine Reise beginnt
wir ihn auch nicht“, flüsterte Koperian seinem kleinen Ziehsohn zu. „Es ist zudem ja auch noch seine Hütte", murmelte der Elf dann zu sich. Der Druide schob den Riegel zurück und öffnete sie langsam und nur einen Spalt breit. Als die beiden Freunde in das Dunkel blickten, erstarrte ihnen vor Entsetzen das Blut in den Adern. Vor ihnen stand ein halbnackter, nur noch in Fetzen gehüllter Mann, mit einem aschfahlen und leeren Gesichtsausdruck. Seine Haut war gelblich-grau und die Pupillen seiner Augen waren so weit geöffnet, dass die Iris nicht mehr existent war. Sein Blick wechselte zwischen Irrsinn und Leere. Seine Hände waren dreckig und aus dem halboffenen Mund ragten verrottete und schwarz verfärbte Zähne. Dieser Mensch kam Koperian viel größer vor als sonst. Der Hüne grinste sie mit bösem und eiskalten Blick an und aus seinem Mund bewegte sich grauer rauchiger Atem. Plötzlich bewegte er sich auf Koperian zu, der, wie in einem Reflex, ebenso schnell schützend die Fackel zwischen sich und Hoob brachte. Der Einsiedler stieß einen gellenden und lauten Schrei aus und taumelte zurück. Die Fackel hatte ihn noch nicht einmal berührt. Ohne zu zögern warf der Druide mit voller Wucht die Tür zu und schob den Riegel wieder vor. Zornig begann Hoob sofort mit seinen Fäusten an die Tür zu donnern. Koperian ging ans Feuer und suchte Indo mit Blicken, doch dieser war unsichtbar geworden. Beiden saß der Schreck tief im Nacken.
Draußen begann es zu rumoren. Man hörte Schritte rund ums Haus laufen und jedes Mal klopfte es dabei an einen anderen Fensterladen. Hoob schrie, schimpfte und verfluchte die beiden im Inneren der Hütte, aber diese reagierten nicht. Als alles nicht half begann der Mensch zu betteln und zu flehen. Er heulte und schrie wie ein Hund und erst am Morgen wurde es endlich wieder still. Das Wesen, welches einst Hoob gewesen war, schien sich vor der Sonne zurück zu ziehen.
„ Er ist besessen", meinte Koperian entsetzt.
„ Was für ein Schrecken", maulte der inzwischen wieder sichtbar gewordene Gambur.
„ Wir sollten alles ganz schnell vergessen."
„ Und ich denke, wir sollten noch bleiben“entgegnete der Druide.
„ WAS", schrie Indo erschrocken.
„ Noch eine Nacht in diesem Haus?
Das hält der stärkste Held nicht aus", jammerte der Halbkobold.
„ Wir bauen eine Falle und fangen Hoob ein", erklärte der Elf, „wir können den armen Kerl ja nicht einfach hier lassen.“
„ Können wir nicht", fragte Indo ungläubig, "Wo ist unsere Pflicht?
Dies hier ist nicht unser Problem.
Komm! Lass uns ganz schnell weiter ziehen.“
„ Hoob ist ein guter Mensch und im Moment ein bedauernswertes Wesen. Er ist, wie wir, ein Teil von Tasmanorb und vielleicht können wir ihn ja retten", erklärte Koperian fest.
„ Er ist besessen, hast du das vergessen?
Was willst du mit ihm machen?
Du kennst dich nicht aus mit solchen Sachen", gab Indo ärgerlich zurück.
- Er verstand nicht, wie der Elf nach dieser Nacht so reagieren konnte! Er verstand nicht, dass sein Freund nicht an sie, sondern an diesen Menschen dachte. Es war zu gefährlich, viel zu gefährlich, schon am Anfang einer Reise! -
„ Ich kenne in Setchal eine Kräuterfrau, die sich ein bisschen mit dem Austreiben von Dämonen und ähnlichem auskennt. Ich bringe ihn nach Setchal", erklärte Koperian geduldig.
Indo schwieg.
- Der Elf war einfach nicht umzustimmen! Er hatte Angst, Angst vor der Nacht, Angst vor dem Besessenen, Angst um Koperian und um sich! Für einen fremden und fast toten Mann sein Leben aufs Spiel zu setzten war einfach zu gefährlich! Vielleicht war der Druide doch nicht so stark, wie er sich erst eingebildet hatte? Naja, dies konnte er zumindest heute Nacht noch testen. -
Entschieden verdrängte er alle düsteren Gedanken und zog die Luft und das Licht des Tages, so bewusst wie noch nie, ein.
- Vielleicht war es ja das letzte mal. -
Indo versprach sich den friedlichen Eindruck der Sonne mit in die Nacht zu nehmen. Vielleicht konnte er so etwas Mut gewinnen. Koperian durchstöberte die Fallenausstattung des Einsiedlers. Hoob hatte mit Vorliebe Gruben gebaut und Netze ausgelegt, um damit sein Wild zu fangen. Diese Netze waren jetzt ideal dazu geeignet den irren Mann zu überwältigen, ohne ihm groß zu schaden. Lange dachte der Elf darüber nach, wo und wie er die Falle in der Hütte am besten aufstellen konnte.
- Wenn Hoob herein kommen wollte, dann sollte sie ihn direkt am Eingang in Empfang nehmen.
Weitere Kostenlose Bücher