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Eine Sache der Ehre. Zwei wahre Geschichten.

Eine Sache der Ehre. Zwei wahre Geschichten.

Titel: Eine Sache der Ehre. Zwei wahre Geschichten. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Camilleri
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Gelenken des Kommandanten einen Anstrich von Wahrheit verleihen.

    (Man wird mir vorwerfen können, daß im Zuge dieser Rekonstruktion anstelle des kritischen Denkvermögens meine Vorstellungskraft getreten ist. Also gut, keine vorgetäuschte Verhaftung. Ich schlage eine weniger phantasiereiche Lösung vor, nämlich daß das bloße Gerücht von der erfolgten Verhaftung in Umlauf gebracht und damit letztendlich dieselben Ergebnisse erzielt wurden. Sarzana und die Seinen ließ man mitten in der Nacht aus dem Torre-Gefängnis heraus: Am nächsten Tag erzählte man sich in der Gegend, daß »Soldaten aus Girgenti gekommen sind«, die ihn mit in die Stadt genommen haben. Statt dessen hielt sich Sarzana in Erwartung der Ereignisse vorübergehend im Haus von Freunden auf, denn gute Freundschaften vor Ort wird der Herr Hauptmann gewiß geschlossen haben.)

    »Sarzana ist abgehauen«, behauptete Frau Carolina Camilleri hartnäckig. Am vierten Februar schickte ein bourbonisches Kriegsschiff der Festung von Castellammare das Befehlssignal, sich zu ergeben, und der Oberst Gross gehorchte. Am selben Tag erreichte ein neapolitanisches Kriegsschiff die Reede von Borgata und signalisierte etwas zum Torre-Gefängnis hin. Entweder weil keine Antwort oder eben eine sehr klare Antwort zurückkam, wurde ein Landeboot ins Wasser gelassen, das in Richtung Ufer steuerte. Während von Bord die Kanonen auf das Dorf gerichtet waren, gingen der Schiffskommandant und einige schwerbewaffnete Männer der Besatzung von dem Boot an Land. Wutentbrannt erklärte der Offizier dem Gaetano Attard (ja genau ihm, einmal, weil er eine öffentliche Person, zum anderen, weil er offensichtlich der beste Mann im Bunde war), daß die Einwohner genau acht Stunden Zeit hätten, um ihre Behausungen zu verlassen, anschließend würden die Kanonenschläge nachhelfen, und das würde kein Haus von Borgata überstehen. Sprach’s und kehrte wieder zum Schiff zurück. Die Reaktionen waren heftig. Die Ehrenmänner und die Kaufleute, die Pferde und Kutschen besaßen, traten völlig verunsichert die Flucht in Richtung Felder an. Guglielmo Peirce, seines Zeichens englischer Konsul, stieg aufs Dach seines Hause und hißte eine vier Meter hohe Flagge, damit die Männer auf dem Schiff begriffen, welchen diplomatischen Schwierigkeiten sie entgegenblickten, falls sie diese Mauern beschädigten. Mit einem Schlag erinnerten sich auch die Camilleris, die Bouhagiars, die Hamels, die Cassars ihrer maltesischen Herkunft und zogen die Fahnen hoch. Auch Gaetano Attard, der ebenfalls aus Malta stammte, tat es ihnen nach. Doch sofort darauf trat er in Aktion: Er verdingte ein Ruderboot mit zwei Ruderern, setzte da das englische Banner und ging an Bord des Schiffes, um zu verhandeln. Während sich Borgata unter den fassungslosen Blicken der Neapolitaner, die glaubten, sich in der Route getäuscht zu haben, mit einem Schlag in ein Städtchen aus der Grafschaft Hampshire am Tag des Nationalfeiertags verwandelte, argumentierte Gaetano Attard dermaßen überzeugend, daß das Schiff am folgenden Morgen nicht mal mehr am Horizont zu sehen war. Derselbe Horizont, hinter dem auch der Kommandant Sarzana verschwand.

    Am fünften Februar 1848 proklamierte Ruggero Settimo von Palermo aus mit höchstem Enthusiasmus, daß eine glückselige Ära für Sizilien und die endlich vom bourbonischen Joch befreiten Sizilianer angebrochen sei; mit den Schrecken des Kriegs sei es aus und vorbei. Mit anderen Worten: Für all diejenigen, die von Amts wegen die Schrecken des Krieges, vom Ermordeten bis zur abgestochenen Kuh, vom verbrannten Wohnhaus bis zur zerstörten Ernte einzuschätzen hatten, war eine Zeit der Schwerstarbeit angebrochen.
     Als führte er einen Befehl aus, beantragte Gaetano Attard am sechsten Februar beim Gerichtsvorsitzenden von Girgenti (derselbe, der unter den Bourbonen im Amt war) die Beglaubigung weiterer hundertzehn Blätter für das Sterberegister, gültig für zweihundertzwanzig Tote. Er bleibt also im vagen, noch kennt er die genauen Zahlen des Massakers nicht. Und vorab muß das Problem gelöst werden, wer als erster in offizieller Mission das Torre-Gefängnis betritt, nicht nur wegen der Zählung der Toten, sondern vor allem, weil stets – ob Frankreich oder Spanien, ob Republik oder Monarchie – Bedarf an betriebsfähigen Gefängnissen besteht. Auf diese Weise sichert sich jener Oberaufseher ab, der mit der Erklärung, Jagd auf die Schar flüchtiger Zwangsarbeiter machen zu

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