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Eine Sache der Ehre. Zwei wahre Geschichten.

Eine Sache der Ehre. Zwei wahre Geschichten.

Titel: Eine Sache der Ehre. Zwei wahre Geschichten. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Camilleri
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Abschrift vorstellen: »Dieser Gaetano Rizzo, wer war denn das, war das der Schuhmacher vom ›Rechen‹?«
     »Nein, der Herr, der hieß Renda. Der da arbeitete im Steinbruch.«) Statt dessen bleibt die Handschrift von Attard klar und flüssig, so wie man es seinerzeit in der Schule lernte. Die Fehler sind offenkundig dem Oberaufseher oder möglicherweise der Unordnung anzulasten, in der die Register im Gefängnis gehalten wurden.
     Die erste Beschwerde zu jenen Fehlern erfolgt im Jahr 1850. In einer »Todesurkunde« sind die Angaben zur Mutter eines der Ermordeten vollständig falsch, und das Gericht von Girgenti muß das mit einem entsprechenden Urteil richtigstellen. 1853 wird dasselbe Gericht gerufen, weil in der »Urkunde« von Ernesto Bonsignore jedwede Angabe zur Abstammung mütterlicherseits fehlt. Die auf subtile Weise riskanteste Eingabe bei Gericht aber macht im Jahr 1854 die Tochter von Francesco Figuccia, die heiraten will. In der Urkunde, so verlangt sie, soll geschrieben stehen, daß ihr Vater mit Rosa Alagna verheiratet war, denn diese Angabe zur Person fehlte vollständig (bezeichnend, daß die Auslassungen oder Fehler nur die weibliche Seite der Verwandtschaftsverhältnisse der Lebenslänglichen betreffen). Soweit, so gut. Doch in dem Antrag schreibt die junge Frau, ihr Vater sei »bei den politischen Ereignissen des Jahres 1848 umgekommen«, was bedeutet, daß es jemanden gibt, der volle Kenntnis davon hat, daß der Tod der Gefangenen im TorreGefängnis aus gänzlich anderen Gründen erfolgte als denen, die zur Haft geführt hatten. Das Gericht stellt keine Ermittlungen an und beschränkt sich darauf, die Urkunde zu korrigieren.

    Noch im Jahr 1848 macht Gaetano Attard, der natürlich immer schon heimlich ein antibourbonisch gesinnter Republikaner war, Karriere. Vom fünfzehnten Juni bis zum achten Juli ist er vom »stellvertretenden Bürgermeister« zum »Leiter der Gemeindeverwaltung« aufgerückt. Danach ist er bis zum dreißigsten November »Vizepräsident der Gemeindeverwaltung« und trägt sich an diesem Datum als »beigeordneter Senator« ins Register ein. 1853 dann, wie bereits gesagt, ernennt Ferdinand II. Borgata zu einer eigenständigen Gemeinde und überläßt dem Ort mit einer Verfügung »ohne Gegenleistung den gesamten Strand bis zur Weite eines Schusses aus der Armbrust vom Gestade aus, eingeschlossen der Baugenehmigungen sowie das Anrecht auf die entsprechenden Mieten für zehn Jahre frei von jeglicher Grundsteuerpflicht«.
     Von dieser neuen Gemeinde wurde Gaetano, der immer schon heimlich ein antirepublikanisch gesinnter Bourbonenanhänger war, erster Bürgermeister. Nach so vielen Jahren inmitten der Dorfgeschichten hatte Attard, der laut Marullo ein »hochgeschätzter Herr« war, bestimmt mitbekommen, wie viele Haare seine Mitbürger, mit Verlaub gesagt, am Arsch hatten. Doch völlig unerwartet muß er vielleicht auch über den Schönheitsfleck von irgendeinem erfahren haben, der im verborgenen hätte bleiben sollen. Tatsache ist, daß man ihn von unbekannter Hand und aus unbekannten Gründen am 21. April 1861 in der Lokalität »Molino a vento« in der Nähe von Girgenti erschossen auffand. Er war gerade zum Bürgermeister wiedergewählt worden; man darf also annehmen, daß er immer schon heimlich ein Partisan und italienischer Einheitskämpfer gewesen war.
     Die Volksstimme behauptet, daß irgendwo ein Prozeß gegen den Befehlshaber Sarzana angestrengt worden sei. Ob nun die Sizilianer oder die Neapolitaner diesen zelebriert haben, ist gleich. Tatsache ist (und damit wird mehr als genug Öl auf mein Feuer gegossen): Sarzana wurde freigesprochen.

    1853, dasselbe Jahr, in dem Attard unter den Bourbonen erster Bürgermeister des neuen Orts wurde, erwies die neugerüstete Garnison von Licata ihrem eben eingetroffenen Kommandanten, dem Oberst Emanuele Sarzana, die Ehre.

    Innerhalb kürzester Zeit sprach man im Dorf nicht mehr von jenen einhundertvierzehn Toten. Sie waren einfach nur noch – wenn man sich überhaupt an sie erinnerte – bedauernswerte Dinge wie die, die man mit Staub bedeckt auf dem Speicher findet und nicht mehr begreift, wozu sie einstmals nützlich gewesen waren.
     Nicht eine Menschenseele kam deshalb an den Tagen, da Europa ob der von den Sizilianern niedergemetzelten Sbirren vor Empörung zitterte (wie flugs war dieses Europa doch zur Stelle – und wie empfindsam! – und erhob die Stimme, weil sich einige Palermitaner am dritten Februar

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