Eine skandalöse Braut
zu verhindern hoffte.« Alex’ Großmutter nickte zustimmend.
»Dann sollten wir vermutlich die Gruft ausrauben«, gab Alex resigniert nach.
Es war zwar noch nicht Mitternacht, aber die Familiengruft war trotzdem kein besonders angenehmer Ort, obwohl sie in das warme Licht der spätnachmittäglichen Sonne getaucht wurde. Die kleine Böschung mit den weiß blühenden Blumen, die sich um das komplette Gebäude zog, erhellte nicht gerade die graue Patina, die den Stein überzog. Flechten krochen an den Wänden bis zum geschwungenen Dach hinauf. Das Familienwappen direkt über der Tür war zu einer fast nicht mehr erkennbaren Spur aus Formen und Wörtern verblasst.
»Du musst nicht mit uns hineingehen«, beruhigte Alex Amelia. Er wirkte auch nicht sonderlich erpicht darauf, die Gruft zu betreten. »Eine Krypta zu betreten steht auf meiner Liste der liebsten Zeitvertreibe nicht allzu weit oben. Bestimmt müssen wir beide nicht mit hinein.«
»Ich würde tatsächlich lieber hier warten«, gab sie zu. Ihr Blick war auf seinen Vater gerichtet, der jetzt den Schlüssel ins Schloss steckte. Ihr Lächeln war etwas zittrig.
Die Tür öffnete sich mit einem protestierenden Quietschen. Der muffige Geruch im Innern war ein extremer Kontrast zu dem angenehmen Geruch draußen. Ihr gesunder Menschenverstand sagte ihr, dass seit der Bestattung des letzten St. James vor gut zwanzig Jahren die abgestandene Luft der Gruft lediglich von dem nasskalten Raum angereichert worden war. Dennoch musste sie sich unwillkürlich wappnen, damit nicht ihre Zimperlichkeit überhandnahm.
Es war unmöglich, nicht wenigstens einen kurzen Blick ins Innere zu werfen. Die Särge waren an den Wänden aufgereiht. Sie standen ordentlich an ihrem Platz; der Steinfußboden war mit einer dicken Staubschicht überzogen – und unberührt.
Ihr Schwiegervater murmelte: »Ich dachte, Longhaven sei schon in die Gruft eingedrungen?«
»Das ist er auch.« Alex stieß ein keuchendes Lachen aus. Der Laut passte nicht zu diesem Ort. »Frag mich nicht, wie er das geschafft hat, ohne Spuren zu hinterlassen. Bringen wir es einfach hinter uns.«
Als sie eine gefühlte Ewigkeit später aus dem Innern wieder auftauchten – vermutlich hatte es nicht länger als ein paar Minuten gedauert – waren beide sichtlich erleichtert, den engen Raum wieder zu verlassen. Kein lebendiger Mensch drang freiwillig in dieses Dunkel ein.
Es war nicht Alex, der zu Amelia trat, sondern der Duke. Sein Gesicht war versteinert, die dunklen Augen tiefernst. »Hier«, sagte er mit einer für seine Verhältnisse erstaunlich sanften Stimme. »Ich glaube, das gehört in Wahrheit Euch, Lady Amelia.«
Die funkelnden Juwelen fingen das Sonnenlicht ein. Er übergab ihr die Kette. Es war ein herrliches Schmuckstück. Aber irgendwie war sie trotzdem nicht sicher, ob sie die rechtmäßige Hüterin dieses Schatzes war.
Der Duke schien ihr Zögern zu bemerken. Ruhig sagte er: »Ihr wart eine Patton und seid nun eine St. James. Ich glaube, damit habt Ihr ein einzigartiges Recht darauf. Sowohl Anna als auch Euer Großvater hätten gewollt, dass Ihr es bekommt.«
Epilog
London, einen Monat später
Der Raum war vom erdigen Geruch ihres Liebesspiels erfüllt. Die muskulöse Schulter, an die Amelia sich wie an ein Kissen kuschelte, spannte sich an, als ihr Mann sich bewegte. Träge und entspannt flüsterte Alex: »Das war … lass mich nach dem richtigen Wort suchen. Belebend? Nein, zu brav. Himmlisch? Das scheint mir etwas passender.«
Zufrieden und träge lag Amelia in seinen Armen. Sie rekelte sich und wandte sich zu ihm um. »Wenn man bedenkt, was wir heute alles erlebt haben, kann ich einfach nicht glauben, dass wir überhaupt noch die Kraft hatten, etwas anderes zu tun, als ins Bett zu fallen.«
»Unterschätze nie mein Verlangen nach dir. Das Bett ist ein herrlicher Ort, um es dir zu beweisen.«
Ihr Lachen wurde an seiner nackten Brust gedämpft. »In der Öffentlichkeit könnte dieses Vorgehen einen wahrlich großen Skandal provozieren, Mylord.«
»Das wäre für keine unserer Familien besonders außergewöhnlich.«
»Tante Sophias Hochzeit mit Sir Richard kam aber recht überraschend für mich«, gab sie zu. Sie strich sich das zerzauste Haar aus dem Gesicht. »Das ist wohl kaum ein Skandal, sondern eher eine Sensation.«
»Es wäre zumindest keiner gewesen, wenn ihre Hochzeit nicht so rasch nach unserer unkonventionellen Vermählung gekommen wäre.« Sanft drückte er eine ihrer
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