Eine skandalöse Braut
Grabstätte eindringt.«
»Longhaven ist manchmal unberechenbar. Aber keine Sorge. Er wird es niemandem erzählen.« Alex wirkte nicht besonders bußfertig. »Hättest du mir von Anfang an die Wahrheit erzählt, hätte ich einfach das Schloss geknackt und dir die Kette gebracht. Dann wäre uns dieses ganze Drama erspart geblieben, Großmutter.«
»Ich verfüge nicht über deine zweifelhaften Fähigkeiten, und ich würde dich auch nie darum bitten, sie für mich einzusetzen. Erst recht wollte ich nicht, dass du in ihren Sarg schaust. Ich wollte den Schlüssel, um die Kette selbst zu holen.«
Allmählich verstand Amelia. Leise sagte sie: »Niemand sollte erfahren, dass sie nicht ertrunken ist. Nicht einmal Alex.«
»Oder dein Sohn.« Die Stimme des Dukes war gedämpft. »Warum nicht, Mutter? Wir würden es doch niemandem erzählen … Ganz im Gegenteil.«
»Dein Vater ließ es mich schwören.« Ihre Stimme klang barsch. »Ganz gleich, wie sehr er und Samuel sich wegen Anna gestritten haben, er wollte nicht, dass irgendwer in der Familie erfuhr, dass er seinen Freund ermordet hat.«
Ermordet? Plötzlich fühlte Amelia sich beklommen. Ihre Handflächen wurden feucht. »Er hat ihn ermordet ?«
»Nicht im wörtlichen Sinne natürlich.«
»Dann solltest du das besser genauer ausführen.« In Alex’ Augen lag ein erbarmungsloses Funkeln. Er verschränkte die Arme vor der Brust.
»Also gut.« Seine Großmutter presste die Lippen zusammen. Als sie sprach, klang ihre Stimme brüchig. »Ich erzähle euch die Geschichte.« Ihr stählerner Blick traf nacheinander jeden Anwesenden. »Ich erwarte, dass diese Geschichte unter uns bleibt. Anna und Samuel begegneten sich, als der Earl hierher, nach Berkeley Hall, zu Besuch kam. Sie begannen eine unstandesgemäße Affäre, und unglücklicherweise führten sie diese auch gegen unser Wissen weiter. Als sie ihr Kind verlor, blieb mir keine andere Wahl. Ich musste Charles davon erzählen.« Sie blickte zu dem Duke auf. Ihre Hände ruhten ineinander verkrampft im Schoß. »Du kennst deinen Vater. Unnötig zu erwähnen, wie ungehalten er darüber war. Er fühlte sich betrogen, er wütete. Dennoch war er auch voller
Sorgen.«
»Ich kann es mir vorstellen.« Der Duke hatte wieder seine Respekt einflößende Haltung angenommen. »Bitte erzähl weiter.«
»Es schien ein logischer Schritt zu sein, ihren Tod vorzutäuschen. Nach der Schwangerschaft und dem Verlust ihres Kindes wurde Anna bewusst, dass es sich nicht mehr bloß um eine romantische Verstrickung handelte. Nein, ihr Tun hatte Konsequenzen. Sie war ruiniert. Samuel war ein Ehebrecher, es konnte so nicht weitergehen. Sie stimmte Charles’ Idee mit dem vorgetäuschten Tod durch Ertrinken zu.« Die Duchess zögerte. »Bis vor ein paar Wochen wusste ich nicht von der Existenz des Gemäldes von Simeon. Oder davon, dass sie Samuel den Schlüssel zur Krypta geschickt hat.«
»Wie hast du es herausgefunden?« Alex brachte die Frage vorsichtig vor. Doch er verlangte eine Antwort.
Peinlich berührt wandte die Duchess sich Amelia zu und blickte sie an. Amelia straffte sich und erwiderte den Blick.
»Anna schrieb mir und warnte mich. Sie erzählte mir von dem Gemälde und dass sie darauf die Kette trägt. Da erst schrieb sie mir auch von dem Schlüssel. Sie hat irgendwie erfahren, dass Samuels Enkelin zu einer jungen Frau herangewachsen ist und wollte dafür sorgen, dass die Kette zurückgegeben wurde.«
Alex konnte es kaum fassen. Er biss die Zähne zusammen und fragte so höflich wie möglich: »Du hast all die Jahre mit deiner Schwägerin korrespondiert?«
»Ja.«
Sein Vater stieß ein unverständliches Wort aus, ehe er murmelte: »Italien. Sorrent. Das Anwesen dort, dem jedes Jahr ein gewisser Betrag ausgezahlt wird, ohne dass der Verwendungszweck genauer benannt wird. Als ich mein Erbe antrat und nachfragte, haben sich die Anwälte geweigert, die Identität des Empfängers dieser Zahlungen preiszugeben. Ich habe mich immer gefragt, ob wohl eine Mätresse oder ein illegitimes Kind dort lebt … warum zum Teufel hat Vater mir nicht einfach davon erzählt?«
Die Duchess blinzelte rasch. Sie schluckte. »Er fühlte sich natürlich schrecklich schuldig. Marcus, bitte versetz dich doch in seine Lage. Zunächst war er gescheitert, als er die Zukunft seiner Schwester sichern sollte. Dann trauerte sie auch noch um das Kind, das sie verloren hatte. Sie war kompromittiert, und das war kein Geheimnis mehr, da man eine Hebamme
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