Eine skandaloese Liebesfalle
entlockte ihr ein Stirnrunzeln. Sie deutete auf die linke Seite seines Brustkorbs. „Was ist das?“
Er schaute zu den Narben. „Hast du sie vorher nicht bemerkt?“
„Nein. Wie hast du sie dir zugezogen?“
„Sie stammen von meinem Reitunfall.“ Mit seinem unversehrten Arm machte er eine Bewegung, wie jemand hoch in die Luft geschleudert wurde und dann hart aufkam. „Alle wissen von meinem Reitunfall.“
„Ich habe nie etwas davon gehört.“
„Das ist aber seltsam, bedenkt man, dass du meine Ehefrau bist. Na ja, es ist geschehen, als ich sechzehn war, kurz, nachdem ich den Titel geerbt hatte. Es war bei meiner Großtante Lady Jane, auf ihrem Sommersitz in Aberdeenshire. Ich bin am Morgen ausgeritten, vom Pferd gestürzt und habe mir ein paar Rippen gebrochen, eine Gehirnerschütterung erlitten und musste ein paar Wochen das Bett hüten.“
„Das klingt recht ernst.“
„Das war es, das war es“, versicherte er ihr. „Natürlich glauben ein paar Dummköpfe, dass ich auf den Kopf gefallen sei und einen Hirnschaden davongetragen hätte. Aber das sind völlig haltlose Behauptungen. Wenn überhaupt, bin ich seit meinem Unfall ein noch scharfsinnigerer Denker. “
„Hm. Ich frage mich, warum irgendjemand das mit dem Hirnschaden glauben sollte“, sagte sie. „Gab es irgendwelche Zeugen?“
Kluge Frau. „Zeugen? Was meinst du?“
„Ich meine, ich kann erkennen, dass du an deinem Oberkörper verletzt wurdest. Aber wo ist der Beweis für die Gehirnerschütterung? Wer war der Arzt, der dich versorgt hat?“
Sein damaliger Arzt war niemand anderer als Needham gewesen. Aber das würde er ihr bestimmt nicht verraten.
„Ah...“
„Also ist es deine Aussage - und allein deine Aussage, dass es eine schwere Gehirnerschütterung gab?“ „Warum sollte ich wegen so etwas lügen?“
„Um dich glaubwürdig als Idiot ausgeben zu können, wenn du zuvor keiner warst.“
„Aber ich habe dir doch eben erst gesagt, dass ich keine Schäden davongetragen habe. Ich war ein blitzgescheiter junger Bursche, und jetzt bin ich ein blitzgescheiter Mann.“
Sie warf ihm einen immer noch aufgebrachten Blick zu. „Allerdings, deine Klugheit blendet einen schier.“ „Dann mach dir keine Sorgen, wenn ich dir sage, dass du dir keine Sorgen machen musst“, erwiderte er leise.
Sie seufzte. Mit einem Finger fuhr sie eine Narbe nach; ihre Berührung brannte.
Er gähnte, machte einen Schritt zur Seite und wandte sich ab. „Wenn du mich entschuldigst, ich schlafe fast im Stehen ein.“
Hinter ihm murmelte sie: „Du möchtest heute Nacht nicht, dass ich es wiedergutzumachen versuche?“
Ihre Worte trafen ihn geradewegs im Schritt. Er biss die Zähne zusammen, um sich so gegen das aufwallende Verlangen zu wappnen. „Verzeihung?“
„Ach nichts“, sagte sie nach einem Augenblick. „Gute Nacht.“
„Gute Nacht, meine Liebe.“
15. Kapitel
Ellie, denkst du eigentlich“, fragte Tante Rachel zaghaft, „dass es Ärzte gibt, die wissen, wie man ... wie man mich dem Laudanum entwöhnen kann?“
Elissande benötigte einen Moment, bis sie merkte, dass ihre Tante gesprochen hatte, und einen weiteren, bis sie begriffen hatte, was Tante Rachel gerade gesagt hatte. Sie wandte sich vom Fenster ab, an dem sie gestanden und blicklos in den Garten geschaut hatte.
Tante Rachel nahm ihr Frühstück in ihrem hellen, hübsch eingerichteten Zimmer ein. Sie ließ sich noch immer die Mahlzeiten ans Bett bringen, aber nach nur ein paar Tagen Abwesenheit von Highgate Court aß sie schon wieder selbst und musste nicht mehr gefüttert werden.
Am gestrigen Nachmittag hatte sie darum gebeten, das Fenster zu öffnen, um ein wenig von dem melodischen Vogelgezwitscher hereinzulassen. Gestern Abend, nach dem Dinner, hatte sie sich schüchtern erkundigt, ob sie wohl ein kleines Stückchen Schokolade haben könne, falls so etwas zufällig im Hause sei. Elissande hatte keine Ahnung, aber Mrs Dilwyn hatte sie lächelnd davon in Kenntnis gesetzt, in der Tat habe Seine Lordschaft eine Schwäche für französische Schokolade, sodass immer ein kleiner Vorrat davon vorhanden sei. Tante Rachels Gesichtsausdruck, als sie sich das Stückchen Schokolade in den Mund steckte, hatte solch reine Freude widergespiegelt, dass Elissande sich hatte abwenden und die Augen wischen müssen.
Und heute Morgen, als Elissande in ihr Schlafzimmer
kam, hatte Tante Rachel gesagt: „Wie hübsch du heute aussiehst, meine Liebe.“ Das letzte Mal, als es Tante Rachel
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