Eine skandaloese Liebesfalle
nicht über die grenzenlose Begeisterungsfähigkeit von Miss Kingsley und ihren Freundinnen, war jedoch freundlich und umgänglich.
„Waren Sie schon im Theater, Lady Vere?“, fragte Mrs Canaletto.
„Nein, ich fürchte, ich hatte das Vergnügen noch nicht.“ „Dann müssen Sie sich unverzüglich von Penny in eine Aufführung des Savoy-Theaters bringen lassen.“
Elissandes Ehemann blickte Mrs Canaletto erwartungsvoll an und erkundigte sich: „Nur ein einziger Rat-schlag, Angelica? Du hast uns doch sonst immer so gerne gesagt, wie wir alles tun müssen.“
Mrs Canaletto lachte. „Das liegt daran, dass ich dich kenne, seit du drei bist, Penny. Wenn ich mit Lady Vere erst einmal sechsundzwanzig Jahre vertraut bin, dann verlass dich darauf, werde ich auch ihr haarklein sagen, wie sie alles zu tun hat.“
Elissande fragte Mrs Canaletto, ob sie während ihres Aufenthalts in Italien auch die Insel Capri besucht habe. Mrs Canaletto musste das leider verneinen, aber sowohl Lord Vere als auch Lord Frederick waren schon dort gewesen - auf einer Bildungsreise, die sie beide gemeinsam unternommen hatten, nachdem Lord Frederick seine Studien in Oxford beendet hatte.
Lord Vere redete über die Sehenswürdigkeiten, die sie auf dieser Reise besichtigt hatten, immer wieder gutmütig von Mrs Canaletto verbessert: das märchenhafte Schloss Neuschwanstein in Bulgarien, erbaut von dem verrückten Grafen Siegfried („Es ist in Bayern, Penny, und wurde von König Ludwig II. errichtet, der vielleicht, aber vielleicht auch nicht verrückt war“), der schiefe Turm von Siena („Pisa“) und auf Capri die Lila Grotte („Die Schwarze Grotte, Penny“).
„War es wirklich die Schwarze Grotte?“
„Angelica will dich aufziehen, Penny“, schaltete Lord Frederick sich ein. „Es ist die Blaue Grotte.“
Unbeeindruckt fuhr Elissandes Ehemann fort. Während seines Vortrags ließ er sein Taschentuch in das Marmeladenglas fallen, stieß den Inhalt einer schlanken Blumenvase um, der auf den Teller mit den Teekuchen landete, und ließ einen seiner Kekse durch die Luft fliegen, wodurch er zwischen rosafarbenen Straußenfedern auf dem extravaganten Hut eines weiblichen Gastes landete.
Lord Frederick und Mrs Canaletto schienen sich nichts dabei zu denken, weder angesichts Lord Veres Redseligkeit noch in Bezug auf seine Ungeschicklichkeit. Aber seine Worte und Taten kamen Elissande übertrieben vor, als versuchte er verzweifelt wiedergutzumachen, dass er heute in den frühen Morgenstunden Intelligenz bewiesen hatte, indem er sich jetzt besonders unfähig aufführte.
Und unbeholfen. Vielleicht um die Erinnerung an die Meisterschaft, mit der er ihren Körper beherrscht hatte, zu verwässern?
Er hätte es fast geschafft - es fehlte nicht viel und er hätte sie überzeugt, dass es Zufall gewesen war. Aber dann war er zu weit gegangen und hatte sich selbst widersprochen - vermutlich, weil er sich wirklich nicht daran erinnerte, ihr eindringlich geraten zu haben, Maßnahmen gegen möglichen Familienzuwachs zu ergreifen.
Die Dame mit dem Straußenfederhut trat, nachdem sie das Gebäckstück aus den Tiefen ihrer kunstvollen Kopfbedeckung gefischt hatte, zu ihrem Tisch. Einen Augenblick lang dachte Elissande, sie wollte Lord Vere zurechtweisen, aber Lord Vere und Lord Frederick erhoben sich beide und begrüßten sie freundlich, als wäre sie eine alte Bekannte.
„Lady Vere, darf ich die Countess of Bourkes vorstellen?“, sagte Lord Vere. „Countess, meine Gemahlin.“
Es war der Beginn einer Parade. Die Saison war fast vorbei, aber London war immer noch Dreh- und Angelpunkt der guten Gesellschaft, die zwischen Schottland, Cowes und den mondänen Badeorten auf dem Kontinent hin und her reiste. Elissandes Ehemann schien mit jedem, der etwas war, bekannt zu sein. Und nachdem Lady Avery offenbar keine Zeit verloren hatte, ihre jüngste Enthüllungsgeschichte überall herauszutrompeten, wollte die ganze Welt wissen, was für eine Frau unter so skandalösen Umständen mit ihm entdeckt worden war.
Er stellte sie mit absurdem Stolz vor. Lady Vere hat sich ganz der Fürsorge ihrer Tante verschrieben. Lady Vere kennt sich ebenso gut mit moderner Kunst aus wie
Freddie. Lady Vere wird mit Sicherheit eine der großartigsten Gastgeberinnen Londons.
Sie benötigte einen Moment, ihre Reaktionen auf seine abzustimmen. Sie verzichtete auf ein gemäßigt herzliches Lächeln, das sie für die Situation angemessen gehalten hatte, und entschied sich
Weitere Kostenlose Bücher