Eine Socke voller Liebe
wenn es am schönsten ist, muss man aufhören“,
sagte Max und verabschiedete sich nach einem Blick auf die Uhr eilig von allen,
um in seine Herberge zu rennen.
25. Freunde
Nach zwei Tassen Cappucchino und einem abgepackten Magdalena
im Stehen an der Theke hieß es wieder: Rucksack schultern und Abmarsch. Jeden
Morgen dasselbe, seit mehr als drei Wochen. Es war zur Selbstverständlichkeit
geworden. Das tägliche Laufen gehörte zum Tagesablauf wie das Zähneputzen.
Die ersten sechs Kilometer führten heute über eine schmale,
schnurgerade Asphaltstraße. Danach ging es weiter auf Waldund Feldwegen bis
Hospital de Órbigo. Eine zwanzigbogige, lange Brücke führte in die freundliche,
kleine Stadt.
Im Innenhof eines alten Holzhauses, von dessen Balkonen bunte
Petunien im Überfluss rankten, machten die Freundinnen eine kurze Rast.
Der Sommer war zurückgekommen, und die Sonne schien heiß vom
Himmel, so dass die Wanderinnen für jede Wolke dankbar waren, hinter der sie
für kurze Zeit verschwand.
In einem Dorfbrunnen badeten sie ihre Arme und schütteten
sich das eiskalte Wasser über den Kopf.
Die gelben Pfeile schickten sie auf hügeligen, kleinen Pfaden
durch grüne Eichenwälder und an gelben Getreidefeldern entlang.
Es war schwül geworden. Plötzlich wehte ein heftiger Wind und
am Himmel zogen schwarze Wolken auf.
„O je, das gibt ein Gewitter“, befürchtete Sabine.
„Das zieht vorbei“, versicherte Andrea mit Bestimmtheit.
„Wir sollten uns irgendwo unterstellen. Da hinten sehe ich
ein Bauernhaus.“
„Quatsch. Das Unwetter kommt nicht bei uns runter. Wirst
sehen, wir werden nicht nass.“ Andrea sagte das mit einer solchen Bestimmtheit,
dass Sabine ihr glaubte.
„Da bin ich aber gespannt.“
Andrea behielt Recht.
Sie hörten das Grollen des Donners aus der Ferne und sahen
den regenverhangenen Himmel nur von weitem, während sie durch lichten,
hügeligen Eichenwald wanderten.
Neben dem Gedenkstein an einen australischen Pilger, der hier
vor mehreren Jahren verstorben war, lud eine Bank zum Rasten ein. Schon häufig
waren ihnen ähnliche Erinnerungsstätten aufgefallen, aber diese hier war
besonders pfiffig gemacht. Eine mannshohe Schaufensterpuppe, mit Jeans, Shirt,
Jacke und Hut bekleidet, stand mit einem Wanderstab in der Hand auf einem
Steinhaufen und machte neugierig.
Andrea stellte ihren Rucksack neben die Bank und ließ sich
laut schnaufend nieder: „Was sich manche Leute alles so einfallen lassen! Dabei
hatte der Mensch doch bestimmt einen schönen Tod. Hier auf dem Camino ist man
so sehr mit sich und der Welt in Einklang, dass man zufrieden das Zeitliche
segnen kann, wenn es denn unbedingt sein muss.“
„Das sagst du! Aber bestimmt empfindet nicht jeder so.“
„Ich schon. Und das hat nichts mit Lebensmüdigkeit zu tun.
Das Pilgern hier macht mich einfach so gelöst und zufrieden.“
„Apropos Müdigkeit. Ich könnte hier grad mal ein Stündchen
schlafen, und meinen schmerzenden Fuß hochlegen“, seufzte Sabine und legte sich
der Länge nach auf die Bank. Andreas Beine benutzte sie dabei als Kopfkissen.
„Reicht dir vielleicht auch eine Viertelstunde?“
„Vielleicht.“
Sie spürte den warmen Hauch des Windes, der in ihr Gesicht
wehte und schlummerte sofort ein.
Andrea blickte auf die Armbanduhr: „Aufwachen! Die
Viertelstunde ist um!“
„Du bist ganz schön streng mit mir!“, seufzte Sabine und
erhob sich langsam, um sich zu recken und zu strecken. Dann setzte sie ihren
Rucksack wieder auf.
Am Nachmittag erreichten sie Astorga und quartierten sich in
einer großen Pilgerherberge ein.
Den Abend verbrachten sie in einem gepflegten Restaurant. Die
mediterranen Farben der Wände und Vorhänge waren geschmackvoll aufeinander
abgestimmt, die Tischtücher und kunstvoll gefalteten Servietten aus weißem
Damast machten einen festlichen Eindruck. Auf jedem Tisch stand ein zierlich gebundener
Strauß aus gelben Teerosen und grünem Blattwerk neben einem weißen
Porzellanleuchter mit gelber Kerze.
Andrea war begeistert von dem hübschen Ambiente: „Ich erwarte
so etwas hier nicht für uns. Vor der Reise gehörten in meinem Kopf zu einem
Pilgermenü ein Biertisch, um den sich hungrige Peregrinos auf unbequemen Bänken
drängeln und ein großer Topf mit einem einfachen Essen in der Mitte. Deshalb
bin ich immer wieder überrascht, wenn gute Restaurants für wenig Geld ein
schmackhaftes Pilgermenü anbieten.“
Der Besitzer dieses hübschen Lokals war ein
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