Eine Socke voller Liebe
Mit
seinen vielen schlanken Türmen sieht es aus wie eine Mischung aus Dornröschens
und Draculas Zuhause. Scheinbar konnte sich der Baumeister nicht für eines von
beiden entscheiden.
Immer wieder waren die Frauen begeistert von der spanischen Baukunst
am Jakobsweg, deren prachtvolle Denkmäler aber auch an die heute unvorstellbare
Macht und Herrschaft der Kirche erinnerten.
Hinter der Stadt machte sich die Landschaft wieder breit.
Viele bewaldete Hügel lagen vor den Wanderinnen, die häufig leicht bergauf
gehen mussten. Eichenwälder und Heidelandschaft wechselten sich ab. Ab und zu
blieben sie stehen, um sich an den vielen schönen, grünen Ausblicken zu
erfreuen. Wolken schützten sie vor heißen Sonnenstrahlen. Es war ein angenehmer
Wandertag.
Zahlreiche Kapellen und Kirchen säumten den Weg. Auf den
flachen, breiten Glockentürmen thronten Storchennester, deren Bewohner
allerdings nicht zu sehen waren.
Nach zweiundzwanzig Kilometern, vor dem beschwerlichen
Anstieg zum Cruz de Ferro, zogen sie in eine kleine Privatherberge ein. Der
freundliche Hospitalero zeigte ihnen stolz seine neue Waschmaschine.
„Wunderbar, da können wir mal wieder alles richtig
durchwaschen“, freute sich Andrea.
Nach dem Duschen zogen sie die luftigen, bunten Sommerkleider
an und füllten fast den kompletten Rest ihrer Kleidung in die Maschine.
Die Freundinnen bummelten durch den langgestreckten Ort,
lasen eifrig Speisekarten und wählten ein Restaurant für ihr Abendessen aus.
Als sie jedoch ein paar Stunden später die Herberge verließen,
um eben dieses Restaurant zu besuchen, war die Sonne hinter den Bergen
verschwunden, und die Luft schlagartig um gefühlte zwanzig Grad kälter
geworden.
„Jetzt haben wir ein Problem“, stellte Andrea lapidar fest
und ging zurück ins Haus.
Die Wanderhosen und Shirts hingen sauber, aber nass auf einem
Wäscheständer im großen Aufenthaltsraum.
„Ich habe mich schon gewundert, wieso die Wäscheständer nicht
draußen, sondern im Haus stehen“, dämmerte es bei Sabine, „Jetzt weiß ich es.“
Die Freundinnen sahen sich an und prusteten los.
„Und nun?“, fragte Andrea zwischen zwei Lachanfällen.
„Zum Glück haben wir die Vliesjacken nicht auch noch in die
Waschmaschine gesteckt“, fiel Sabine ein, „und außerdem haben wir doch noch
Leggins mitgenommen! Die haben wir sowieso noch nie getragen.“
„Okay, ich schau mal, was noch in meinem Rucksack ist.“
Wenige Minuten später hatten sie beide eine schwarze Leggins
unter ihr Kleid gezogen und die Vliesjacke darüber. Andreas rot-schwarz
gemustertes Minikleid passte perfekt dazu. Die schmalen roten Sandalen an den
Füßen rundeten ihr hübsches Outfit ab.
„Prima, ich bin fertig!“, rief sie und musterte Sabine mit
einem Stirnrunzeln von oben bis unten. „Wie siehst du denn aus? Nee, so kannst
du aber selbst hier nicht rumlaufen. Sei mir nicht böse, aber du siehst voll
bescheuert aus. Das geht gar nicht!“
Andrea fing schallend an zu lachen, und warf einen amüsierten
Blick auf das cremefarbige Sommerkleid ihrer Freundin, das mit einem zarten
Blumenmuster in Pastelltönen bedeckt war. Das schmal geschnittene Trägerkleid
war wadenlang und die schwarze Leggins guckte etwa zwanzig Zentimeter darunter
hervor. Andreas Augen blieben an den grau-braunen Socken hängen, die in dicken
Wandersandalen steckten und wanderten wieder hoch zu der anthrazitfarbenen
Vliesjacke, die um Sabines Oberkörper waberte.
Sie bog sich vor Lachen: „Deine dicken Socken und die
Wandersandalen an den Füßen sind der absolute Hammer. Du siehst aus wie eine
Bauersfrau aus den Fünfzigern. So könntest du dich bei ‚Bauer sucht Frau‘ bewerben.“
Sabine wusste nicht recht, ob sie mitlachen sollte und sah
etwas verunsichert zu ihrer Freundin hinüber: „Deine Schadenfreude in allen
Ehren, aber ich kann doch bei der Kälte nicht meine himmelblauen Badelatschen
anziehen. Ich hol mir ja Frostbeulen an den Füßen. Außerdem kann ich über
dieses alte Kopfsteinpflaster nicht mit Flip-Flops laufen. Aber ich könnte ja
einfach die halbhohen Wanderschuhe anziehen. Das wäre dann total fett und
richtig krass. Wenn schon bescheuert, dann auch richtig!“
Die bildhafte Vorstellung und der Anblick ihrer Beine und
Füße unter dem Kleid erheiterten sie dermaßen, dass sie in das Gelächter
einstimmte.
„Ich fotografiere dich jetzt, damit du dich selbst mal in
voller Größe sehen kannst. Wir haben hier ja keinen großen Spiegel“, sagte
Andrea
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