Eine Spur von Lavendel (German Edition)
war es stets bewusst, wie anziehend sie auf Frauen wirkten, und das nutzten sie dann schamlos aus. Mit seinem gewinnenden Lächeln war der Mann augenscheinlich der Prototyp eines Herzensbrechers – und denen ging eine vernünftige Frau tunlichst aus dem Weg.
„Dieser Beau soll gar nicht erst darauf warten, dass ich ihn wegen irgendwas um Hilfe bitte“, sagte sie leise zu sich selbst.
Linda hatte sowieso restlos genug von Polizisten. Seit Tagen schwirrten sie schon um sie herum. Die zwei Kollegen ihres Mannes hatte sie bereits vorher flüchtig gekannt. Für deren Hilfe war sie auch zunächst noch recht dankbar gewesen. Doch das Schlimmste waren die beiden älteren Typen von der Mordkommissiongewesen, die ihr immer und immer wieder die gleichen Fragen gestellt hatten, auf die sie immer und immer wieder die gleichen Antworten gegeben hatte.
Sie wusste einfach nichts.
Sie war die letzte Person, die der Polizei würde helfen können. Sie kannte weder die Freunde ihres verstorbenen Mannes, noch hätte sie sagen können, wer eigentlich seine Feinde gewesen waren. Linda hatte absolut nicht den geringsten Zweifel daran, dass Frank tatsächlich einige Feinde gehabt hatte, im beruflichen Bereich ebenso wie in seinem privaten Umfeld. Doch ihr Mann hatte sie von alldem stets penibel ferngehalten. Von Anfang an hatte er ihr klargemacht, dass sein Freundeskreis und sein Beruf ihm allein vorbehalten bleiben würden.
Noch nicht einmal zu ihrer Hochzeit hatte Frank seine Freunde oder wenigstens ein paar Kollegen eingeladen, und Linda selbst war viel zu unerfahren und verliebt gewesen, um sich darüber Gedanken zu machen. Außerdem war er damit ihrem eigenen Naturell sogar ein wenig entgegengekommen, denn Linda war es ohnehin niemals leichtgefallen, sich auf neue Bekanntschaften einzulassen. Die einzigen Freundinnen, die sie jemals gehabt hatte, Karina und Ulrike, kannte sie bereits seit der gemeinsamen Schulzeit. Karina lebte jetzt in Schweden, aber sie und Linda schrieben sich noch recht häufig. Auch Ulrike hatte schon vor einigen Jahren Hamburg verlassen und war zusammen mit ihrem Mann zunächst nach Frankfurt und später dann nach Köln gezogen. Linda besuchte sie höchstens noch zweimal im Jahr. Trotzdem vertiefte sie neue, flüchtige Bekanntschaften nie, die sich ab und an ergaben.
Ja, damals war Linda wirklich furchtbar verliebt in Frank.
Ulrike hatte ihren achtzehnten Geburtstag mit einer großen Party gefeiert, und dort war sie Frank Michaelsen zum ersten Mal begegnet. Sie selbst war erst siebzehn gewesen und wegen ihrer sprichwörtlichen Schüchternheit ohne jede Erfahrung in Bezug auf das männliche Geschlecht. Sie erinnerte sich noch genau daran, wie sie ihn so unauffällig wie nur möglich denganzen Abend beobachtete. Seine aufreizende Art – wie er so ungehemmt mit den anderen Mädchen getanzt hatte und geflirtet – hatte sie vollkommen in seinen Bann gezogen. Sein gutes Aussehen, das dunkelblonde Haar und seine strahlenden himmelblauen Augen hatten ihr Herz vom ersten Augenblick an höherschlagen lassen. Doch erst ganz kurz vor dem Ende der Party war auch sie ihm endlich aufgefallen. Als er sie wortlos auf die Tanzfläche gezogen hatte, wäre sie vor lauter Aufregung fast ohnmächtig geworden. Sie erinnerte sich noch genau daran, wie unglaublich erfahren und selbstsicher er auf sie gewirkt hatte.
Zwei Monate nach Ulrikes Party war sie bereits mit ihm verlobt gewesen, und weitere drei Monate später, kurz nach ihrem eigenen achtzehnten Geburtstag, hatten sie geheiratet. Es gab keine große Hochzeit, wie Linda es sich immer erträumt hatte. Keine kirchliche Trauung und kein wallendes weißes Hochzeitskleid. Von diesen Dingen hatte Frank nie viel gehalten. Nach einer kurzen Zeremonie auf dem Standesamt hatten sie nur noch zusammen mit Anneliese und Walter in einem Restaurant gefeiert, und gleich nach dem Essen waren dann alle nach Hause gefahren.
Oh ja, ich war damals tatsächlich ungeheuer verliebt in diesen gottverdammten Schweinehund.
2. KAPITEL
A lexander saß an seinem Schreibtisch und hämmerte konzentriert, aber äußerst unwillig auf die Tastatur seines Computers ein. Er verabscheute diesen Schreibkram. Er hasste überhaupt alles, was mit Computern oder irgendwelchen Tasten zu tun hatte.
„Hast du einen Moment Zeit für mich, Alex?“
Sein älterer Kollege, guter Freund und Bereitschaftsleiter Bernd Lindemann stand in der offenen Bürotür und unterbrach Alexanders geheime Verwünschungen, die
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