Eine Spur von Lavendel (German Edition)
Wieder so ein Tag, den sie am liebsten aus ihrem Leben streichen würde. Es gab inzwischen viel zu viele davon. Offensichtlich hatte sie ein ganz besonderes Talent dafür, derartige Tage geradezu anzuziehen.
Seufzend ging sie hinüber in ihr Badezimmer, ließ heißes Wasser in die Wanne laufen und warf einige Badeperlen hinein. Charlotte schlief endlich, und jetzt würde auch sie versuchen, sich ein wenig zu entspannen.
Frank ist tot. Man hat ihn erschossen!
Immer wieder sagte sie sich diese wenigen Worte, ohne sie wirklich zu verstehen. Das ganze Ausmaß dieser unwiderruflichen Tatsache wollte sich noch nicht vollkommen in ihrem Gehirn Raum verschaffen. Die Gefühle, die dieser Gedanke ganz tief in ihr auslöste, konnte Linda einfach noch nicht zulassen. Und eigentlich wollte sie das auch nicht. Alles, was sie wusste, war, dass ihr Ehemann nicht wiederkommen würde. Er war fort – für immer!
Während sie aus ihrer Unterwäsche schlüpfte, blickte sie sich mit müden Augen im Schlafzimmer um. Seit zehn Tagen war sie nun schon Witwe.
Eine vierunddreißigjährige Witwe mit einer fünfzehnjährigen Tochter.
Frank würde nicht wiederkommen! Weiter konnte sie einfach noch nicht denken.
Er ist tot. Er wird nicht zurückkehren, dachte sie auch noch, als sie sich langsam in das heiße, zart nach Lavendel duftende Badewasser gleiten ließ.
Linda ließ sich zurücksinken und versuchte, sich zu entspannen. Sie übte sich von Zeit zu Zeit in der Kunst des autogenen Trainings und atmete nun tief und regelmäßig ein und wieder aus, bis sie tatsächlich spürte, wie sich ihre angespannten Muskeln lockerten und ein wohltuendes Gefühl von Entspannung einsetzte. Erst als ihr das Wasser zu kühl wurde, stieg sie schließlich aus der Badewanne, um sich abzutrocknen. Wie gewöhnlich cremte sie sich sorgfältig mit ihrer Lieblingslotion ein, bevor sie sich in ihren flauschigen Bademantel hüllte und wieder hinüber ins Schlafzimmer ging.
Ein schneller Blick auf ihren Radiowecker sagte Linda, dass Mitternacht schon lange vorüber war. Seufzend ließ sie den Bademantel von ihren Schultern gleiten und öffnete den großen Kleiderschrank, um sich frische Nachtwäsche herauszunehmen. Sie schlüpfte in ein einfaches weißes Baumwollhemd, löste anschließend ihr Haar und schüttelte es gründlich aus, bevor sie unter ihre Bettdecke kroch. Fröstelnd rollte sie sich zusammen und ließ ihren Gedanken freien Lauf.
Linda bedauerte sehr, dass ihre Schwiegermutter sie bereits wieder hatte allein lassen müssen, aber das ließ sich nicht ändern. Das Leben musste schließlich irgendwie weitergehen. Die kleine Imbissstube, die Anneliese Michaelsen betrieb, war schon seit Franks Tod geschlossen, und einen noch länger andauernden Verdienstausfall konnte sich ihre Schwiegermutter einfach nicht leisten.
Anneliese war mit den Jahren zu einer Art Ersatzmutter für Linda geworden. Ihre eigenen Eltern waren bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen. Sie selbst war damals gerade zwölf Jahre alt gewesen. Ihr Onkel, der ältere Bruder ihrer Mutter, war ihr als einziger Verwandter geblieben, und ihre Elternhatten in ihrem Testament festgelegt, dass er in das Haus einziehen und sich um sie kümmern sollte. Bis zu seinem eigenen Tod vor acht Jahren hatte er das auch voller Zuneigung und mit der nötigen Sorgfalt getan. Doch nur wenn sie mit Anneliese zusammen war, empfing sie so etwas wie mütterliche Fürsorge.
Lindas Herz zog sich furchtsam zusammen. Sie musste unbedingt dafür sorgen, dass ihr und Charlotte diese wunderbare Frau erhalten blieb, denn Anneliese war nun alles, was ihnen überhaupt an Familie und Halt geblieben war.
Ohne dass Linda es bewusst darauf angelegt hätte, wanderten ihre Gedanken zum Vormittag zurück. Der Besuch von Franks altem Freund war ihr irgendwie unangenehm gewesen. Auch wenn Anneliese sich so unübersehbar auf ihn gefreut hatte.
Frank wird schon seinen Grund gehabt haben, weshalb er mit Alexander Hellberg nichts mehr zu tun haben wollte, dachte sie fast trotzig, um die aufkeimende Unsicherheit schnell wieder zu vertreiben.
So tief konnte die Freundschaft der beiden Männer also gar nicht gewesen sein. Der Kontakt zu diesem Hellberg war schließlich schon beendet, als sie selbst Frank kennengelernt hatte.
Außerdem hatte Alexander Hellberg bereits vom ersten Augenblick an eine Art Argwohn in ihr hervorgerufen. Sie mochte grundsätzlich keine Männer, die aussahen wie er.
So auffallend attraktiven Männern
Weitere Kostenlose Bücher