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Eine Stadt names Cinnabar

Eine Stadt names Cinnabar

Titel: Eine Stadt names Cinnabar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Bryant
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blieb er stehen und dachte an das Verbot seiner Eltern. Dann dachte er an das, was er über die vielen seltsamen Schätze dort oben gehört hatte. Und da wußte er, daß Warnungen und Verbote von langweiligen Menschen kommen und daß man sich nicht um sie kümmern soll. Und daß Schranken dazu da sind, daß man darüber steigt. Und er machte die Bodentür auf.
    Drinnen standen lauter Tische in langen Reihen mit allem erdenklichen Spielzeug. Dazwischen standen kleinere Tische mit Süßigkeiten und Kuchen und Gläsern voller köstlicher Limonade. Und der kleine Junge freute sich ganz toll.
    Auf einmal kamen die Vampire heraus und wollten spielen. Sie sahen ziemlich aus wie du und ich, nur daß sie schwarz waren und ganz leise und so dünn wie Schatten.
    Sie umschwebten den Jungen und flüsterten, er solle mit ihnen spielen. Sie hatten den Jungen sehr lieb, denn es kam selten jemand zu Besuch auf den Boden. Sie waren ganz ehrlich (denn so dünne Leute können nicht lügen), und der Junge merkte, wie dumm die Warnungen seiner Eltern gewesen waren. Dann gingen sie in das Zauberland an der anderen Seite des Bodens und spielten Stunden und Stunden.
     
     
    Was für Spiele, Liebling? Warte, ich zeig dir’s. Und dann machte Merreile das Licht aus und faßte ihn an.
    „Nein, Träume kann sie nicht verändern“, hatte Timnath nachdenklich gesagt. Und dann hatte er durch die Augen der Katzen-Mutter hindurchgesehen, als ob Blau-Jade aus Glas wäre, und gesagt: „Laß mir Zeit, ich werde darüber nachdenken.“
    Sie saßen im kleinen blauen Schlafzimmer und unterhielten sich. George hatte die Finger um die hochgezogenen Knie verschränkt. „Hast du auch mal selbst Kinder gehabt, wie ich eins bin?“ fragte er.
    „Nicht solche wie du.“
    „Ich meine, waren sie mehr wie Kätzchen oder mehr wie Babys?“
    „Beides, wenn du willst. Oder keins von beiden“, antwortete sie mit ausdrucksloser Stimme.
    „Das ist unfair. Antworte mir richtig!“ Es klang altklug und, aus langer Übung, flehentlich.
    „Was willst du denn wissen?“
    George trommelte sich mit den Fäusten auf die Knie. „Deine Kinder – wie waren sie? Ich will wissen, was aus ihnen wurde.“
    Lange Stille. Kleine Falten erschienen unter Blau-Jades Lippe, als hätte sie etwas Bitteres im Munde. „Sie waren überhaupt nicht wie irgendwas.“
    „Versteh’ ich nicht.“
    „Sie waren überhaupt nicht. Sie kamen aus dem Computer Terminex, sie lebten und starben in ihm; er schickte ihre lichten Bilder in mein Gehirn.“
    George setzte sich auf. Das war besser als eine Gutenachtgeschichte. „Aber warum?“
    „Ich bin die vollkommene Kinderfrau. Meine Mutterinstinkte sind erhöht. Ich habe Pfänder im Gehirn.“ Jedes Wort kam klar geschnitten, mit Kanten wie Brillantschliff.
    Des Kindes Wißbegier sänftigte sich zu Mitgefühl. „Das macht dich sehr traurig.“
    „Manchmal.“
    „Wenn ich traurig bin, weine ich.“
    „Ich nicht“, erwiderte Blau-Jade. „Ich kann nicht weinen.“
    „Ich will dein Sohn sein“, sagte George.
    In der Halle der Tages-Statuen war es still. Blau-Jade stöberte zwischen den Schatten und suchte nach flüchtigen Lauten, Gerüchen und Temperaturunterschieden. Die ineinanderfließenden Minuten frustrierten sie und machten sie nervös. So viele Nächte hatte sie schlaflos gewacht – und schließlich hatte ihr Körper sie getrogen. Wieder suchte sie ein verlorenes Kind.
    Diesmal war er nicht im Spielzimmer; leer grinsten die Schaukelpferde.
    Auch nicht in den zwanzig grauen Salons, wo Georges Ahnen, einbalsamiert und stumm, in ihren Wandnischen Nachtwache hielten.
    Auch nicht auf dem staubigen, spinnwebdurchzogenen Dachboden.
    Auch nicht im Speisesaal, so wenig wie im Wintergarten, im Observatorium, dem Familienzimmer oder den Leinenkammern.
    Auch nicht – Blau-Jade raste den eichengetäfelten Korridor entlang, und die winzigen Spuren bestätigten ihre Ahnung. Immer schneller lief sie, und als sie sich in den Looping stürzte, der zu Timnath Oregons Laboratorium führte, wurde ihr ganz übel.
    Die Tür öffnete sich auf ihre leise Berührung. Das Labor war von den verzerrten gelben Lichtern der Stadt Cinnabar dämmerig erleuchtet. Mehreres geschah auf einmal.
    Dicht vor ihr schrak eine Gestalt auf, die an der Konsole von Oregons APE saß. Ein entrolltes Meßband fiel klappernd auf den Fliesenboden.
    Weiter hinten im Labor unterbrachen ein paar tanzende Schattenfiguren ihre Beschäftigung mit Georges hingestrecktem Leib und blickten

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