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Eine Stadt names Cinnabar

Eine Stadt names Cinnabar

Titel: Eine Stadt names Cinnabar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Bryant
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Biest“, murmelte George.
    „Muttersöhnchen“, spottete die Statue einer Triumphierenden Siegesgöttin. Stumm eilte George weiter. Die abstrakte Gaukler-Gruppe versuchte, ihn aufzuheitern, doch ohne jeden Erfolg. Endlich war George an den Skulpturen vorbei und schritt den getäfelten Gang hinunter, der schließlich eine enge Kurve beschrieb und in sich selbst zurücklief, von wo aus er in Timnath Obregons Laboratorium führte.
    Leuchtende Perlwände sogen George durch die offene Tür. Drinnen wirbelten Labordämpfe. Er wußte, daß er sich eigentlich hätte bemerkbar machen müssen, doch er belauschte ein Gespräch:
    „Es wäre gut, wenn seine Eltern nach Hause kommen würden.“ Die Stimme war zärtlich-rauh, mit langgezogenen Vokalen. Blau-Jade.
    „Ausgeschlossen“, erwiderte Obregons Tenor, „sie sind jetzt schon zu nahe am STADT ZENTRUM. Ich kann noch nicht einmal anfangen, die subjektiven Jahre bis zu ihrer Rückkehr zu zählen.“
    „Aber hätten sie sich nicht eine passendere Zeit für ihre zweiten Flitterwochen aussuchen können?“ fragte Blau-Jade vorwurfsvoll, „oder sind es ihre dritten oder vierten – – was weiß ich.“
    Achselzucken in den Wirten. „Schließlich sind sie Forscher und neigen als solche zur Neugier. Und die Mirakel in unmittelbarer Nähe von STADT MITTE sind sagenumwoben. Ich kann ihnen nicht verdenken, daß sie mal von allem weg wollten. Sie haben ja lange genug in dieser Familien-Gruppe gelebt.“
    „Ach Scheiß, du idiotischer Humanide! Du mit deinem rationalistischen Gerede!“
    „Immerhin – Georges Vater und Mutter sind Wissenschaftler. Sie haben ein Recht auf ein eigenes Leben.“
    „Und sie haben auch Verantwortung.“ Pause. „Merreile. Diese vaterkomplexverkorkste kleine …“
    „Das konnten sie nicht wissen, als sie sie einstellten, Blau-Jade. Ihre … hm … Eigenheiten wurden erst offenbar, als sie ein paar Monate lang Georges Gouvernante gewesen war. Und selbst dann hat noch keiner die letzten Details gewußt.“
    „Gewußt! Sie haben sich einen Dreck darum gekümmert!“
    „Das ist ein bißchen hart.“
    „Hör zu, du blasse Imitation eines verständnisvollen Geistes! Merkst du denn nichts? Das sind doch die größten Egoisten der Welt. Alles wollen sie für sich. Für ihren Sohn bleibt nichts übrig.“
    Ein paar Sekunden Schweigen.
    Dann wieder Blau-Jade: „Du bist ein netter Mann, aber so verflucht dickhäutig.“
    „Ich mag George sehr gern.“
    „Und ich auch. Ich liebe ihn wie eins von meinen Jungen. Zu schade, daß ihn seine Eltern nicht lieben.“
    George, draußen auf dem Gang, war die Beute zwiespältiger Gefühle. Er vermißte seine Eltern schrecklich. Aber Blau-Jade liebte er auch. Also fing er an zu weinen.
    Obregon bosselte an einem Labyrinth von Platindrähten herum. Blau-Jade lief im Labor hin und her und wünschte, sie könne mit dem verkümmerten Schwanz schlagen. George trank seine Milch aus und leckte sich die letzten Kuchenkrümel von der Handfläche.
    Ein großer Rabe flog träge durch ein Fenster an der hinteren Seite des Laboratoriums herein. „Kräh, kräh.“
    „Ha!“ Der Erfinder schnippte mit den Fingern, glänzende Läden schoben sich vor, die Türen fielen zu, der Raum war versiegelt. Offensichtlich verwirrt flatterte der Rabe in engen Kreisen umher. Heiser hallten seine Schreie von den Wänden wider.
    „Jade, halte den Jungen fest!“
    Obregon griff unter die Konsole von APE und brachte eine gespannte, geladene Armbrust zum Vorschein. Der Vogel sah die Waffe, flog einen Looping und dann im Sturzflug auf das nächste Fenster zu. Er flog gegen den Laden und prallte ab.
    George ließ sich von Blau-Jade unter einen Laboratoriumstisch ziehen. Mit wild schlagenden Flügeln hob sich der Rabe von der Wand ab und setzte zu einem Ausweichmanöver an. Kaltblütig zielte Obregon und drückte ab. Der kurze Bolzen mit dem quadratischen Kopf fuhr durch den Raben hindurch und grub sich in die Zimmerdecke. Der Vogel, die Schwingen im Flattern erstarrt, überschlug sich in der Luft und fiel Obregon vor die Füße. Schwarze Federn schwebten, Herbstblättern gleich, zu Boden.
    Vorsichtig stieß der Erfinder mit der Zehe an den Vogel. Der rührte sich nicht. „Dummkopf. Mich so zu unterschätzen.“ Er wandte sich zu Blau-Jade und seinem Neffen, die unter dem Tisch hervorkrochen. „Vielleicht bin ich doch nicht so zerstreut, wie du mir immer vorwirfst.“
    Zierlich leckte die Katzen-Mutter ihren zerzausten blauen Pelz.

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