Eine Stadt names Cinnabar
und glüht im Dunkeln auf.“
„Glüht auf?“
„Entschuldigung. Blüht auf, meine ich.“
Francie, schon an der Tür, blickt zurück. „Herrlich.“
Sternig unterhält sich mit Tourmaline, dem Sex-Star. Einen halben Kopf größer als er, lehnt sie lässig am Piano, um ihm seine Befangenheit zu nehmen. Sternig lächelt; er merkt ihre wohltätige Absicht.
„Ich habe deine letzten Vorstellungen mitbekommen.“
„Nicht eben dein Geschmack, würde ich sagen.“
„Ein Mann und seine Arbeit sind nicht dasselbe“, erwidert Sternig.
Tourmalines Augen passen zu ihrem Namen. Sie bekommt Fältchen in den Lidwinkeln, wenn sie lächelt. Sternig erwidert ihr Lächeln, gelöst. „Ich weiß, Sternig, du liebst alle, aber hauptsächlich Frauen. Liebst du mich, Sternig?“
„Natürlich“, lächelt er.
Sie lacht. „Lügner. Du liebst eine. Nur eine.“
Er verkrampft sich. „Tourmaline …“
„Von dir selbst mal abgesehen natürlich.“
„Tourmaline, bitte nicht …“
„Nicht daß ich sie etwa nicht leiden könnte …“
„Reden wir von dir, Tourmaline“, will Sternig ablenken.
„Du lernst es nie, nicht wahr?“
„Ich versuche nur …“
„Dem Gespräch eine andere Wendung zu geben“, beendet Tourmaline seinen Satz. „Weißt du, wie oft wir das durchgesprochen haben?“
„Herrgott“, erwidert Sternig, „ich will nicht darüber sprechen. Ich will nicht einmal darüber nachdenken.“
Tourmaline berührt seine Wange (wie Seide auf Sandpapier). „Das eine ist leicht genug.“
Flüchtig küßt er ihre Fingerspitzen. „Ich fange an, das andere zu vergessen.“
„Doppelter Lügner!“ Sie zieht die Hand weg. „Sternig, du blöder Esel.“
„Ich brauche poch etwas zu trinken“, sagt er, „du auch?“
„Ich habe noch“, lehnt sie ab und schwenkt ihr Glas. „Und mit dir bin ich auch noch nicht fertig.“
„Wieso mit mir?“ fragt er.
„Du bist meine gute Tat für dieses Jahrtausend.“ Sie wirft ihr – an diesem Abend – langes grünes Haar zurück. „Ich kann dich nicht vor dir selbst retten, aber vielleicht kann ich …“ Der Rest geht in Gelächter unter. Die Party ist wieder zum Leben erwacht.
„Genau das habe ich also gesagt. Der Kerl konnte es nicht glauben.“ Halblautes Nach-Gelächter läuft durch das Party-Volk. Das war Jack Burton, der Star der beliebten Serie „Jack Burton, der Unsterbliche“. Seine Show ist gerade in die tausendste Saison gegangen, was mit dieser Party gefeiert wird.
Tourmaline lächelt und imitiert mit halblauter Stimme einen Sportberichterstatter: „Jack Burton grinst seine Freunde an, schüttelt Hände wie Pumpenschwengel, küßt Lippen, doch seine Fröhlichkeit hat etwas Gezwungenes. Wenn er durch den Saal geht, wendet man sich ihm zu, doch die Gratulationen wirken oberflächlich, flüchtig. Seine Augen – und wie ich ihn um ihr durchdringendes Blau beneide – funkeln vor Geist, doch wieder und wieder sehe ich sie unbestimmt flackern. Jack Burton ist wie eine rohe, reife Tomate – voller Würmer.“
„Was?“ sagt Sternig entsetzt.
„Würmer. Sie fressen sich bereits durch seine Augen.“
Sternig verzieht das Gesicht. „Morbide.“
„Achte auf seine Augen, Sternig. Du wirst es sehen. Auf einmal sind es nur noch hohle Löcher.“
„Ich muß mir was zu trinken holen“, sagt Sternig. „Bleib hier. Ich bringe zwei Gläser.“
Als er zurückkommt, lehnt Tourmaline Hayes noch immer am Piano. Stumm nimmt sie den Drink entgegen.
Sternig nippt gedankenverloren. „Nach der Party …“
Sie sieht ihn an. Er kann ihren Gesichtsausdruck nicht entziffern. „Ich möchte, daß du nach der Party zu mir nach Hause kommst.“
Tourmaline lächelt, mehr für sich als für Sternig. „Tut mir leid, ich kann nicht.“
Sternig würde gern fragen: Warum? … jedoch …
„Vielleicht ein andermal“, sagt sie. „Wir sind nicht darauf eingestellt. Ich gehe mit Marlene nach Hause.“
„Ich …“
Sie läßt ihn nicht weitersprechen. „Und deine Francie geht mit Kandelman nach Hause. Und Jack Burton mit seinem Agenten. Und wer geht mit dir nach Hause, Sternig?“
Sternig fühlt sich auf einmal ganz einsam. Er möchte weinen. Doch das kann er nicht. Er ist kein kleiner Junge mehr. Schon länger, als er zurückdenken möchte. Länger, als er zurückdenken kann.
„Wer?“ wiederholt Tourmaline.
Sternig muß es träumen, denn die Erinnerung ist zu alt und zu verborgen, um wieder bewußt zu werden:
Sie waren entschlossen, für immer
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