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Eine Stadt wie Alice

Eine Stadt wie Alice

Titel: Eine Stadt wie Alice Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neville Shute
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die
gleichen Quadrate, hier aber waren sie mit Gebäuden gefüllt. In neuen blanken
Wellblechdächern spiegelte sich die Sonne; da wir sie im Rücken hatten, mußte
ich vor den grellen Reflexen die Augen schließen. Nur das Dach über der ersten
Etage des Hotels war verwittert, und eine Anzahl Häuser war eben im Bau. Dies
also war die Hauptstraße. Eine Gartenanlage — die neueste Errungenschaft — zog
sich der Länge nach durch ihre Mitte und teilte den einstigen
überdimensionierten Viehweg in zwei asphaltierte Fahrbahnen.
    Dem Hotel schräg gegenüber sah ich das
Schwimmbassin, sah die Sprungbretter, die Kabinen und Rasenflächen, alles
genau, wie es mir Joan in ihren Briefen geschildert hatte. Doch schon
entschwand das schöne Bild meinem Blick, und wir landeten auf dem Flugplatz.
Sie war da.
    Sie stand vor ihrem neuen Lieferwagen,
einer kleinen Ford-Utility, mit der sie ihre Geschäfte erledigte. Sie war
reifer, als ich sie in Erinnerung hatte, eine schöne Frau.
    «Wie froh bin ich, Noel, dich
wiederzusehen!» begrüßte sie mich. «Bist du müde?»
    «Nein, nur vier Jahre älter. Gut siehst
du aus, Joan.»
    «Es geht mir ja auch beängstigend gut!»
versicherte sie. «Wie lieb, daß du gekommen bist! Ich wollte dich darum bitten,
aber es schien mir zuviel verlangt. Die weite Reise...! Komm, setz dich in die
Utility! Joe holt dein Gepäck.»
    Wir fuhren durch die Hauptstraße. Ich
wollte aussteigen und ihre Werke besichtigen, aber sie hielt nicht an.
    «Dazu ist morgen und übermorgen
genügend Zeit», meinte sie. «Jetzt geht es nach Midhurst, damit du dich
ausruhen kannst.»
    Die Landschaft bis zum Gehöft war mir
durch ihre Briefe bekannt und genau, wie ich sie mir vorgestellt hatte: keine
Straße, kein Weg im üblichen Sinn, sondern nur Radspuren und Löcher, die sie
umfuhr. Doch als wir zum Fluß gelangten, fiel mir etwas Neues auf. Quer durch
das Flußbett war eine Bahn gelegt, ein Teppich aus Zement. Sein Anfang war wie
sein Ende durch zwei feste Pfosten gekennzeichnet. «Zu Brücken reicht es noch
nicht», sagte sie. «Aber das da ist in der Regenzeit ein wahrer Segen. Nun
prallt man nicht mehr unter Wasser gegen die Felsblöcke.»
    Das Gehöft übertraf meine Erwartungen
erstens durch einen Vorgarten voll leuchtender Blumen und zweitens durch große
hölzerne Viehgehege, Hürden, von denen ich noch nichts wußte. Sie waren, wie
Joe erklärte, in den letzten zwei Jahren entstanden.
    «Wir haben jetzt drei Zebu-Bullen! Zu
einer Viehzucht gehören Pferche.»
    Die Zebu-Bullen waren eine Kreuzung von
indischem Vieh mit englischen Herefords. Er hielt sich außerdem eine Herde
Milchkühe, und auch dafür brauchte man Hürden.
    «Wieviel Hilfskräfte habt ihr jetzt?»
fragte ich.
    «Elf Weiße und zehn Boongs», antwortete
er. «Weiße sind hier jetzt fast leichter zu finden als Farbige.»
    Sie wollten mich nicht gleich
herumgehen lassen, sondern setzten mich auf die Veranda in einen Liegestuhl,
brachten mir etwas Kaltes zu trinken. Ich saß ruhig da, lehnte mich zurück und
beobachtete. Ich sah weiße Stockmen, schwarze Stockmen, das Vieh, die Hunde,
die Pferde... Ein halbwüchsiger Wallaby hopste im Hof herum, hinter ihm drein
sprangen junge Hunde und spielten mit ihm.
    Ich hätte ewig so dasitzen und
zuschauen können, den kleinen Joe und den noch kleineren Noel betrachten und
Joan, mit welcher Anmut sie ihre Kinder hütete und die Abo-Frauen dirigierte.
Drei Tage saß ich so.
    Am vierten Morgen fuhr Joan mich in die
Stadt und zeigte mir, was sie geleistet hatte. Zuerst ging es in die Werkstatt,
doch bevor ich eintreten durfte, mußte ich einen Schal umlegen. Dabei war es
drinnen für unsere Begriffe nicht kalt. Es kam einem nach der Wärme draußen nur
so vor. Mein Kühlapparat war jahraus, jahrein in Funktion.
    Ich fand die jungen Mädchen, die da mit
ihren Lederarbeiten beschäftigt waren, alle sehr hübsch und nett, und die
kleidsame grüne Arbeitstracht stand ihnen gut.
    Am Ende des Arbeitsraums befand sich
ein hoher Spiegel, an der Wand hingen Bilder, die aus Illustrierten und
Modezeitschriften ausgeschnitten waren.
    «Wir wechseln die Bilder», erklärte
Joan; «es sollen alle auf ihr Äußeres Wert legen.»
    Der Werkschuppen stand nach allen
Seiten hin frei, doch hatte es Joan so eingerichtet, daß ihre übrigen
Unternehmungen die Front gegen die Hauptstraße fortsetzten und eine kleine Geschäftsstraße
bildeten. Jedes Haus hatte einen hölzernen Vorbau über dem Trottoir, damit die
Kauflustigen

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